Eigentlich heisst es «Schwimmbad im Moos», aber kein Einheimischer wird es so nennen. Das Freibad hat den Kosenamen «Mösli» erhalten, und der drückt eigentlich schon alles aus: Die Überschaubarkeit, die hübsche Lage am Hang und die Erinnerungen an heisse Sommer, an den Schwimmunterricht und womöglich an die Jugendtage.
Dorfarzt Dr. Hans Kuhn hatte schon im Jahr 1915 festgestellt, dass das Wasser der Limmat derart verunreinigt und verschmutzt sei, dass das «Baden als unhygienisch empfunden wird». Er regte die Erstellung einer Badeanstalt mit Grundwasser an. Als Standort wäre der Nordwesten von Schlieren vorgesehen gewesen – in der Nähe der Limmat, aber geschützt von einem Wäldchen. Die Bernstrasse war damals gegen Westen noch nicht durchgehend. Die Verwirklichung dieses Gedankens scheiterte am Problem der Erwärmung – zu teuer. 1923 nahm der Gemeinderat das Thema wieder auf; aber die Erwärmung des Wassers war nicht zu lösen. Auch die Filtration von Limmatwasser mittels Sandfilter wurde erwogen. Aber der beigezogene ETH-Professor Wilhelm von Gonzenbach (Bakteriologe und führender Forscher im Bereich des Gewässerschutzes) hielt fest, dass dennoch ölige und fettige Substanzen im Wasser bleiben würde.
In den 30er-Jahren war der Ruf noch «Volksbädern» immer noch unüberhörbar. Sie wurden landauf, landab gebaut oder mindestens gefordert – gerade auch in Quartieren oder Städten, welche nicht an einem See oder Fluss lagen. Die Architekten errichteten sie in der Architektur des «Neuen Bauens», in leichter, transparenter Bauweise und klarer Formgebung. Die anspruchsvolle Körperkultur der oberen Bevölkerungsschichten» stand dahinter, aber auch der breiten Bevölkerung sollte Zugang verschafft werden. Nicht alle hatten damals eine Dusch- oder Badegelegenheit im eigenen Haus. Erinnern wir uns daran, dass auch im «Roten Schulhaus» Schlierens aus Gründen der Volkshygiene ursprünglich eine grosse Duschanlage eingebaut war.
«Der Badebetrieb soll im Zeichen einer fröhlichen körperlichen Betätigung geschehen, die aber nur dann ihren Zweck erreicht, wenn sie gute Sitte und Anstand in keiner Weise verletzt», hiess es bei der Einweihung der Badener Anlage 1934. In Zürich wurde 1939 für die Bevölkerung von Oerlikon das Freibad Allenmoos angelegt, gleichzeitig wie die «Landi» (Landesausstellung 1939) und ganz in deren Stil und Geist. Die Architekten waren hier wie dort Max Ernst Haefeli und Werner M. Moser für die Bauten und Gustav Amman für die parkähnliche Anlage.
Auch in Schlieren nahm man die Idee wieder auf. Der damalige Gemeinderat (und spätere Gemeindepräsident 1946–1964) Walter Gurtner brachte 1936 an der Gemeindeversammlung eine Motion zum Bau eines Schwimmbades ein; an der nachfolgenden Urnenabstimmung wurde das Projekt zwar abgelehnt. Doch der Gemeinderat war dem Projekt gegenüber positiv eingestellt und sah im Schwimmbad im «Zelgli» zudem noch eine Möglichkeit für Notstandsarbeiten. Das Land war im Besitz der Bürgergemeinde, und man hatte die stille Erwartung, diese würde es der politischen Gemeinde unentgeltlich zur Verfügung stellen: «Die Bürgergemeinde hat nun Gelegenheit, der politischen Gemeinde an die Arbeitslosenfürsorge einen bescheidenen Beitrag zu leisten.» Es handelte sich um eine Fläche von immerhin 160 ha, also fast drei Mal so gross wie unser heutiges «Mösli». Gemeindeingenieur Baumgartner entwarf eine Skizze für ein «Luft-, Schwimm- und Sonnenbad».
Präsident und Notar Jean Meyer-Gut war Vorsitzender sowohl der politischen wie auch der bürgerlichen Gemeindeversammlung. Allein, man hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht – es gab eine Abfuhr. Am 15.10.1937 schmetterte die Bürgergemeinde – auf Antrag des damaligen einflussreichen Gemeinderatsschreibers Eduard Böhringer – das Ansinnen mit 71:3 Stimmen ab. Er malte ein Gespenst an die Wand: «Die meisten Bäder weisen zufolge der hohen Anlagekosten und der meistens kurzen Badesaison grössere Betriebsdefizite auf.»
Die «Wagi» als Geburtshelfer
Es folgte der Zweite Weltkrieg, und an den Bau eines Freibades war nicht mehr zu denken. Aber das Geschäft blieb hartnäckig auf der Traktandenliste. 1941 berichtete Gemeindepräsident Glaser, dass die Wagonsfabrik ihr Land im Moos für eine Schwimmbadanlage zur Verfügung stelle, da in unmittelbarer Nähe eine Sportplatzanlage (Turnhalle im Moos) vorgesehen sei. Es handelte sich um ein Vogelschutzreservat; eine ehemalige Kies- und Lehmgrube. Die Schulstrasse endete hier gegen Osten, auf Höhe der Allmendstrasse.
Aus heutiger Sicht tönt es fast unglaublich, dass die Wagonsfabrik die unentgeltliche Abgabe von 5‘150 m2 ihres Landes in Aussicht stellte. Aber ausschliesslich für die «Erstellung einer Schwimmbadanlage»! Das Angebot war limitiert, es galt nur bis zum 1.7.1947. Ganz überraschend war das aber nicht: Die Beziehungen waren eng; aus der «Wagi» stammten schon immer eine Anzahl Mitglieder von Behörden, und die Firma förderte dies auch aktiv, wohl zum beiderseitigen Nutzen. Kurze Wege: Gemeinderat Hans Baumann, Ingenieur bei der Wagi, nahm Rücksprache mit seinem Direktor Josef Koch, welcher das Unternehmen von 1901–1942 leitete, und dessen Nachfolger Karl Füchslin. Tatsächlich: Die Wagi trat – als weiteres Entgegenkommen – nochmals etwas Land ab; insgesamt waren es nun 6‘879 m2.
Nun war also die Landfrage gelöst – aber Gurtner wies im Mai 1942 darauf hin, dass es wegen des Zement- und Eisenmangels (Kriegswirtschaft) nicht möglich sei, das geplante Bad zu erstellen. Dennoch führte er die Planung zügig weiter: Im September 1942 besuchte eine Abordnung des Gemeinderats das eben eröffnete Sportbad Allenmoos, und im Anschluss daran empfahl Gurtner, die Architekten Häfeli-Moser-Steiger aus Zürich mit einem neuen Projekt zu beauftragen. Emil Klöti, von 1928–1942 Stadtpräsident von Zürich, hatte diese bestens empfohlen. Gleichzeitig wurde Gustav Ammann als Garten- und Landschaftsarchitekt beigezogen. Schlieren kannte ihn schon von der Friedhof-Erweiterung her. Namhafte Persönlichkeiten – bewährt und berühmt von der «Landi» her.
Zunächst: Eishockey in Schlieren, aber das Projekt nimmt Gestalt an
Trotz der ungewissen Situation ging es nun mutig weiter: Im September 1942 reichte Architekt Häfeli ein generelles Projekt ein, gedacht «weniger als Sportanlage sondern als Grünanlage bzw. Erholungsfläche. Alles soll so gestaltet werden, dass es parkähnlich wirkt und die Grünlunge der Gemeinde Schlieren erweitert. Gerechnet war das Bad «theoretisch» für ein Einzugsgebiet von 5000 Einwohnern. Die Gemeindeversammlung vom 19.11.1943 stimmte dem konsultativ vorgelegten Projekt zu und empfahl, die vorgesehene Länge des Schwimmbeckens (damals 33 m) nicht zu kürzen. Gleichzeitig wurde auch der Ausbau der Schulstrasse, d.h. deren Verlängerung bis zum Haldenweg, projektiert. Übrigens mit der weisen Zusicherung, dass diese Strasse «weder jetzt noch in der Zukunft keinen durchgehenden, sondern nur lokalen Verkehr aufweisen» werde, wie im Protokoll der Gemeindeversammlung vom 20.12.1946 festgehalten wurde.
1946, während der «Wartezeit», wurde im «Moos» nun als Zwischennutzung Eishockey gespielt. Die Schulpflege hatte dies schon 1938 angeregt. Von der Gemeinde wurde für den Winter eine Eisbahn eingerichtet, Geräte und Banden gekauft. Es gab sogar einen Eishockey-Club EHC Schlieren und ein entsprechendes Benützungsreglement.
Erstes Freibad im Limmattal:
Bald feiert es den 75-jährigen Geburtstag
Am 20.12.1946 bewilligte die Gemeindeversammlung einen Kredit von Fr. 420’000.– für das Schwimmbad. Im Februar 1947 wurden Sondierbohrungen wegen der Grundwassersituation gemacht, und am 20.4.1947 erfolgte die Zustimmung zum definitiven Kredit von 580’000.– an der Urne. 840 Ja standen 442 Nein gegenüber, dies bei einer sagenhaften Stimmbeteiligung von 77 Prozent.
Man staunt immer wieder, wie zügig damals Projekte umgesetzt werden konnten. Im Juni 1947 wurde der Abtretungsvertrag zwischen der «Wagi» und der Gemeinde unterzeichnet, und im Februar 1948 wurden die Tiefbauarbeiten begonnen. Am 7. August desselben Jahres war bereits die Eröffnung.
Das «Mösli», wie es bald liebevoll genannt wurde, war als ein Quartierbad geplant und wie ein Park gestaltet – die Bauten treten gegenüber den Freiflächen zurück. Dieser Stil, entsprechend der Handschrift der Architekten (Häfeli, Moser, Steiger) und andererseits des Parkgestalters (Ammann) ist sofort zu erkennen, auch wenn das Zürcher Allenmoos mit einer Fläche von etwa 32’000 m2 viel grösser ist.
Die Ausrüstung war ursprünglich sehr rudimentär. Für die Garderobe gab es 280 Bügel. Man zog sich in den offenen Garderoben um und gab die Kleider auf einem Bügel ab; dazu gab es einige Kästen und Garderoben. Eine eigentliche Küche gab es nicht, nur einen Kiosk im Osten des Geländes.
Wandel: Oft sogar mutig und pionierhaft
Die Gemeinde pflegte ihr Schwimmbad gut; das «Mösli» wurde immer den sich wandelnden Ansprüchen angepasst. Schon 1955 wurden Garderoben erweitert, und 1959 wurden die Schwimmbahnen auf 50 m verlängert – zu Kosten von rund Fr. 90’000.–. Eine Hochdruck-Filteranlage wurde eingebaut, und ab 1973 konnte das Badewasser mit einer Gasheizung erwärmt werden. 1985 kam eine Wasserrutschbahn hinzu, und 2006 wurde die Desinfektion von Chlorgas auf Natriumhypochloritlösung umgestellt.
Der grosse Umbau im Jahr 2010/11 umfasste einen neuen Sprungturm sowie die Sanierung und den Ausbau der Betonschwimmbecken. Umstritten war die Umstellung auf biologische Reinigung mit den nötigen Regenerationsbecken im südöstlichen Teil. Damit wurde das «Mösli» der grösste öffentliche Schwimmteich der Schweiz mit diesem System. Der Urnenentscheid am 13.6.2010, nach einem heftigen Abstimmungskampf, war deutlich: Mit 1223 Ja zu 560 Nein und mutig: Immerhin ging es um einen Kredit von etwa 6’200’000 Franken. Die effektiven Kosten beliefen sich dann auf etwas über 7’500’000 Franken. Die avisierte Besucherzahl (35’000 pro Jahr) wurde nie erreicht. Immer wieder traten auch Probleme mit Entenflöhen und Kolibakterien auf, welche den Ruf der Badi zeitweise ziemlich untergruben. Das hatte u.a. zu tun mit einer Überbelegung: An Spitzentagen besuchten bis zu 1500 Personen das Bad. Erinnern wir uns: Zur Entstehungszeit war es für eine Gemeinde von etwa 5000 Einwohnern konzipiert… Dank dem grossen, hier zu lobenden Einsatz des Personals sind heute die Probleme weitgehend behoben.
Und noch einmal machte das «Mösli» von sich reden: Seit 2022 wird das Wasser nicht mehr geheizt – aus oekologischen Gründen und auch im Hinblick auf den Verbrauch von russischem Gas. Wenn man den Kommentarspalten der Medien zum Bio-Bad und zum Verzicht auf beheiztes Wasser folgt, so gilt wohl der alte Spruch «Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann». Das Familienbad hat begeisterte Freunde, aber auch erbitterte Gegner. Das schon 1937 erschienene Gespenst ist dem Bad (wie allen anderen, ähnlichen Einrichtungen) treu geblieben: Während die Zahl der Eintritte naturgemäss schwankt, ist das Defizit eine Konstante. Man zählt – je nach Wetter – jährlich um die 20’000 Eintritte. Das Defizit schwankte in den vergangenen Jahren um Fr. 30.–, pro Eintritt, wohlverstanden. Dem Mösli wird es nicht langweilig, auch am 75. Geburtstag…
Ein geschütztes Bijou
Der erwähnte Umbau 2010 erfolgte in Zusammenarbeit und mit Baubegleitung durch die Denkmalpflege des Kantons Zürich – das Mösli ist nämlich im überkommunalen Inventar als Schutzobjekt von regionaler Bedeutung. Der Denkmalpflege war es wichtig, möglichst viel aus der Entstehungszeit zu behalten und fachgerecht zu restaurieren: Die Materialisierung (Beton, Holz), der oktogonale Eingangspavillon mit dem erhöhten Oberlicht, die eleganten Flachdächer, das prägende «Brüggli» im grossen Becken und die Farbgebung. Das «Mösli» ist ein kleines Quartierbad.vel
Mit unseren Abbildungen werfen wir einen Blick zurück und zeigen die Anlage, wie sie zur Zeit ihrer Entstehung aussah.
Damals betrugen die Eintrittspreise 30 Rappen pro Person – und es heisst, der Betrieb sei anfänglich selbsttragend gewesen. Beides tempi passati…
Quellen
Zeitschrift «Das Werk», Architektur und Kunst, Nr. 37/1950
Pietro Wallnoefer, Zürcher Denkmalpflege, 21. Bericht 2011–2012
Protokolle Gemeinderat und Gemeindeversammlung 1935–1950
Protokolle bürgerlicher Gemeinderat 1916–1972
Protokolle Bürgergemeindeversammlung 1934–1971
Heinrich Meier, Jahrheft Stadt Schlieren 1996
Fotos: Kant. Denkmalpflege und Zeitschrift «Das Werk»
Text: Philipp Meier / Bilder: Kant. Denkmalpflege