Das Gemeindeparlament und die Liberale Baugenossenschaft Schlieren wollen den Geissweidplatz entgegen den Plänen des Stadtrates überbauen. Ein überparteiliches Komitee versucht dagegen, mit einer Volksinitiative den Platz freizuhalten. Die vom Stadtrat vorgesehene Bahnquerung im Reitmen lehnt das Gemeindeparlament ab.
Der Stadtrat hat im Dezember in städtebaulichen Fragen zwei empfindliche Niederlagen einstecken müssen. Das Gemeindeparlament sagte Nein zur Gestaltung des Geissweidplatzes mit achtzig Bäumen und zur Bahnquerung im Reitmen. Beim Geissweidplatz, wo im Zuge des Baus der Limmattalbahn eine Wendeschlaufe entsteht, will das Parlament eine Überbauung, die Rendite abwirft. Ein entsprechendes Projekt hat die Liberale Baugenossenschaft Schlieren (LBS). Eine im Februar von einem überparteilichen Komitee lancierte Volksinitiative will den Platz dagegen freihalten. Was aus dem Geissweidplatz wird, bleibt somit vorerst offen. Das letzte Wort werden die Schlieremer Stimmbürger haben. Keinen Ideenwettbewerb gibt es bei der Bahnquerung im Reitmen. Sie ist einstweilen vom Tisch.
Einer der Redner im Gemeindeparlament zum Geissweidplatz war Thomas Widmer vom Quartierverein Schlieren (QVS). «Die Rückweisung des Kreditantrags zur Gestaltung des Platzes hat für den QVS das primäre Ziel, dass der Stadtrat nochmals über die Bücher geht und prüft, ob der Geissweidplatz nicht anders genutzt werden kann», erklärt er gegenüber dem «Schlieremer». «Der Platz wird eh schon wegen der Limmattalbahn zu zwei Drittel verbaut und asphaltiert. Der restliche kleinere Teil wird umkreist von Schienen und kaum zur Erholungs- und Ruhezone werden. Es macht mehr Sinn, den Platz für einen anderen Bedarf zu nutzen, etwa für das benötigte Alterszentrum, so dass wirkliche Grünflächen in Schlieren erhalten bleiben und nicht für diesen Zweck überbaut werden müssen», sagt Widmer. «Vielen Schlieremern ist nicht bewusst, dass einer der geplanten Standorte für das Alterszentrum die grosse Wiese auf der gegenüberliegenden Seite der Badenerstrasse im Bereich des Stadtparks ist.»
Überbauung möglich
Nicht ein Alterszentrum, aber einen Block mit modernen, altersgerechten Wohnungen möchte die LBS auf dem Geissweidplatz bauen. «Wir sind schon seit längerem auf der Suche nach einer sanierungsbedürftigen Liegenschaft oder einem Bauplatz im Zentrum von Schlieren», antwortet LBS-Präsident Peter Voser auf Anfrage des «Schlieremers». Dies, weil die bestehenden Liegenschaften der LBS in Schlieren teilweise keine Lifte und Duschen aufweisen und nicht in der Nähe von öffentlichem Verkehr, Einkaufsmöglichkeiten und Gesundheitseinrichtungen wie Ärzten und Spitex lägen.
Die LBS habe deshalb im Mai 2016 das Interesse für den Erwerb einer entsprechenden Fläche auf dem Geissweidplatz oder die Abgabe dieser Fläche im Baurecht bei der Stadt Schlieren angemeldet. Gemeindeparlamentarier, die dem Projekt des Stadtrates zur Gestaltung des Geissweidplatzes kritisch gegenüberstanden, hätten daraufhin die LBS aufgefordert, ihre Idee zu konkretisieren. Die LBS habe deshalb bei einem Architekturbüro eine Machbarkeits- und Volumenstudie, ergänzt mit Bildern, wie eine solche Baute aussehen könnte, in Auftrag gegeben. Das Resultat dieser Studie sei, dass «eine Überbauung sowohl rechtlich wie technisch möglich» wäre, sagt Voser.
Die Überbauungspläne von Gemeindeparlament und LBS für den Geissweidplatz haben ein überparteiliches Komitee, bestehend aus Mitgliedern der Grünen Partei, der Grünliberalen Partei und der Sozialdemokratischen Partei, auf den Plan gerufen. Seine im Februar lancierte Volksinitiative hat bereits genügend Unterschriften erhalten, so dass es zur Volksabstimmung kommen wird. Ziel der Volksinitiative ist es, den Platz freizuhalten und mit schattenspendenden Bäumen, grünen Rabatten und Sitzgelegenheiten auszustatten. «Der Geissweidplatz ist ein wichtiges Element des Stadtentwicklungskonzepts. Da in Schlieren vermehrt verdichtet gebaut werden soll, braucht es auch Freiräume», rechtfertigt Komiteepräsident Andreas Kriesi von der Grünliberalen Partei die Initiative gegenüber dem «Schlieremer». «Wir wollen, dass der Platz innerhalb der geplanten Wendeschleife der Limmattalbahn nicht überbaut wird. Die Gestaltungsdetails lässt unsere Initiative dabei bewusst offen.» Heissen die Schlieremer Stimmbürger die Volksinitiative dereinst gut, müsste also nicht zwingend das Projekt des Stadtrates mit den achtzig Bäumen – im Volksmund bereits «Miniwald» genannt – verwirklicht werden.
Bahnquerung zu teuer
Beim Geissweidplatz ist also noch alles möglich – eine Überbauung oder ein gestalteter Ort zum Verweilen. Bei der Bahnquerung im Reitmen dagegen ist klar, dass sie vorerst nicht kommt. Das Gemeindeparlament lehnte sie als zu teuer ab. «Die Grundsatzfrage, die sich uns gestellt hat, lautete nicht, ob wir die Querung für Fussgänger und Velofahrer brauchen, sondern ob wir sie uns leisten können», sagt Boris Steffen von der Schweizerischen Volkspartei dazu. Er argumentierte im Gemeindeparlament gegen die Bahnquerung, die 11 Mio. Franken, eventuelle Zuschüsse des Bundes aus dem Agglomaterationsprogramm 3 nicht eingerechnet, gekostet hätte. Der Stadtrat habe sich einem behördenverbindlichen Entlastungsprogramm unterstellt. Dessen Ziel sei es, die Nettoverschuldung pro Einwohner in den Griff zu bekommen und mittelfristig anstatt des prognostizierten Aufwandüberschusses eine ausgeglichene Rechnung präsentieren zu können.
Den Verzicht auf eine Bahnquerung im Reitmen hält Steffen dabei für vertretbar. Zwischen Schönenwerdbrücke und Goldschlägiunterführung im Westen von Schlieren sei die Distanz ähnlich gross wie zwischen Gasometer- und Hermetschloobrücke im Osten. Dort sei aber auch keine zusätzliche Querung geplant.
Text und Fotos: Martin Gollmer