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Standpunkt von Pfr. Jürg Wildermuth

«Wenn möglich, soweit es in eurer Macht steht:  Haltet Frieden mit allen Menschen!»

Apostel Paulus, Römerbrief, 12, 18

 

Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag, so wird der kommende Sonntag hierzulande genannt. Es ist ein vollmundiges Begriffskonglomerat, das mir Kopfzerbrechen bereitet. Eidgenössisch daran ist, dass die Tagsatzung 1832 den dritten Sonntag im September für katholische wie reformierte Orte zum gemeineidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag erhob. Die Eidgenossenschaft war ein konfessionell gespaltenes Land. Der moderne Bundesstaat und mit ihm die Garantie der Religionsfreiheit entstanden erst ab 1848. Der neue Staat übernahm die Anordnung der alten Tagsatzung, und so besteht dieser Feiertag bis heute.

 

Bussfeiern wurden schon im Mittelalter, in Zeiten der Not, in Pest- und Kriegszeiten, von der Obrigkeit angeordnet. Als 1618 der Dreissigjährige Krieg ausbrach, ein Konfessionskrieg notabene, rückten die Reformierten in Europa näher zusammen. Daraus entstand auf Anregung der Zürcher Kirche ein erster gemeinsamer Dank- und Bettag der damaligen reformierten Kantone. Da die Schweiz selbst vom Krieg verschont blieb, wurde dieser Feiertag in der Zeit danach regelmässig begangen. Im 18. Jahrhundert schwand seine Bedeutung, bis er unter dem Eindruck des Blutbades der französischen Revolution wieder belebt wurde. Am 17. September 1797 feierten reformierte und katholische Stände gleichzeitig einen gemeinsamen Bettag. 1798 gab die «Zentralregierung der Helvetischen Republik» ein Bettagsmandat heraus.

Seit 1832, seit 185 Jahren also, wird der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag regelmässig gefeiert.

 

Heute, wo sich Kirche und Staat entflechten, wo eine Vielfalt von Kulturen und Religionen die Schweiz bevölkern, wird der eidgenössisch-kirchliche Charakter dieses Feiertags im wahrsten Sinne des Wortes «fragwürdig». Wie gehen wir mit diesem Erbe um? Ist es denkbar, dass dieser Tag eine gemeinsame Klammer werden könnte, ein Ort der Begegnung verschiedener Religionen und ein Tag der Verständigung zur Förderung des friedlichen Zusammenlebens? Manchmal träumt es mir davon, dass dieser helvetische Feiertag am dritten Sonntag im September seine grosse Zeit noch vor sich hat.

 

Pfr. Jürg Wildermuth

Dekan

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