Er stand früher selber auf der Bühne – heute hält er sich lieber im Hintergrund. Lars Christen produziert und schreibt in seinem Studio im Herzen Schlierens Musik für bekannte Schweizer Künstler.
Sie heissen Lo & Leduc, Loco Escrito, Marc Sway, Nemo oder Bastian Baker – und sie alle haben schon mit ihm gearbeitet: Die Rede ist von Lars Christen, aka Lars The Music Guy, der sein Tonstudio mitten in Schlieren hat. Der 31-Jährige produziert und schreibt hier seit 5 Jahren Musik. Sein Studio ist von aussen unscheinbar, fast schon gut versteckt – und erinnert im Inneren an ein grosses, sehr gemütliches und einladendes Wohnzimmer, wo alles bereitsteht, um den nächsten Hit zu produzieren.
Doch wie hat es den gebürtigen Aargauer überhaupt nach Schlieren verschlagen? «Das war Zufall. Solche Räume sind nicht ganz leicht zu finden. Ich habe ein Jahr lang gesucht und bin dann auf einem Raumvermittlungsportal im Internet auf diesen hier gestossen», sagt Christen. Die Künstler kommen gerne hierher – das Studio ist gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, liegt nahe an der Stadt Zürich und bietet doch eine gewisse Abgeschiedenheit und Ruhe.
Heute hat Christen manchmal mehr Anfragen als Kapazität: Doch der Weg bis hierhin war lang, sehr lang. Angefangen hat der Musikproduzent mit kleineren Bands, die er von seiner eigenen früheren Musikertätigkeit kannte. «So hat dann ein Projekt zum nächsten geführt. Ich hatte aber sicher auch Glück», resümiert Christen. Denn statistisch betrachtet sei es wohl eher selten, dass «einer wie er», es schaffen könne.
«Meine Rolle ist im Hintergrund»
Damit will der Aargauer sagen, dass er seiner Meinung nach eigentlich nichts «Richtiges» gelernt habe. Nach der Matura besuchte er eine Tontechnikerschule und absolvierte verschiedene Praktika bei befreundeten Musikproduzenten. Während andere studierten, versuchte der junge Lars Christen sich etwas aufzubauen und kam damit gerade so knapp über die Runden. Von den Eltern seiner Freunde erntete er dafür den einen oder anderen schiefen Blick. «Ich wurde oft gefragt, ob meine Arbeit überhaupt ein richtiger Beruf sei», erinnert er sich. Sieht man sich die lange Liste der Künstler an, die beim Thema Musik auf ihn vertrauen, beantwortet sich diese Frage von allein. Aber für diesen Erfolg hat Christen viel und hart gearbeitet.
Schon als kleiner Bub hat er Gitarre gespielt, später in verschiedenen Bands. Bis er feststellte, dass er gar nicht so gerne auf der Bühne steht. So fing Christen an, für andere Musik zu machen. Dabei produziert er nicht nur Musik, sondern betätigt sich auch als Co-Songwriter. Gemeinsam mit Damian Lynn hat er beispielsweise für SRF den WM-Song «Feel the heat» geschrieben. Dass der Applaus des Publikums am Ende nicht der seine ist, stört den Musikproduzenten überhaupt nicht: «Ich arbeite sehr gerne im Hintergrund. Meine Rolle ist eine unterstützende – nicht jeder muss auf der Bühne stehen.»
An seinem Job gefällt ihm vor allem die Abwechslung: Die Arbeitsweise sei mit jedem Musiker eine andere. «Grundsätzlich geht es darum, den Künstler erstrahlen zu lassen», bringt Lars Christen seine Tätigkeit auf den Punkt. Die Künstler sollen sich in seinem Studio wohlfühlen: «Es ist wichtig, dass das Ambiente zum kreativen Schaffen einlädt.» Ganze Bands spielen in seinem doch eher kleinen Raum aber nie. «Musik produzieren ist heute nicht mehr so, wie noch zu Zeiten der Beatles, wo fünf Leute zusammen in einem Raum sassen und spielten», erklärt Christen. Auch bei ihm stehen zwar einige Instrumente bereit, aber heute passiert vieles auf dem Computer. Denn natürlich macht die Digitalisierung auch vor der Musik nicht Halt.
«Der Walkman und die CD veränderten die Musik»
Musik ist heute überall verfügbar. «Viele hören sie nebenbei. Deshalb muss die Musik schneller auf den Punkt kommen und ein anderes Level an Reiz auslösen als früher, wo man Musik nur zu Hause auf dem Plattenspieler hören konnte», sagt Christen. So habe bereits der Walkman die Art und Weise der Musik verändert, wie auch später die CD und heute eben Streamingportale wie Spotify & Co. Diese Entwicklung sehe man aber auch anderswo: «Netflix hat zum Beispiel das Serienformat vorangetrieben. Und auch Filme werden im Gegensatz zu den alten Western, wo man minutenlang in die Prärie starrt, viel schneller geschnitten.»
Dass sich Medienformate verändern, sieht Christen als einen natürlichen Prozess, der nicht nur schlecht sei. «Früher gingen Lieder beispielsweise 7 Minuten, dann kam das Radio, und die Songs durften plötzlich nicht mehr länger als 3,5 Minuten sein», sagt Christen und fügt an: «Veränderung ist cool, sie macht das Leben spannend und treibt Dinge voran.» So sei auch das Aufnehmen eines ganzen Albums im Moment weniger an der Tagesordnung. «Ein ganzes Album aufzunehmen, benötigt viel Zeit und Schweiss», weiss Christen aus Erfahrung. Hinter dem im Jahr 2019 erschienenen Album «Way back home» von Marc Sway, welches Lars Christen produziert hat, steckt rund ein Jahr Arbeit. Und dies sei durchaus eine realistische Zeitspanne, um ein Album aufzunehmen. «Dafür lässt ein Album dem Künstler in Gegensatz zu einer Single mehr Raum, um eine Geschichte zu erzählen und sich musikalisch auszuleben», sagt Christen.
«In Schlieren fühle ich mich zu Hause»
Veränderung liegt aber auch in der Natur der Sache: «Eine CD gibt zum Beispiel vor, dass genau 60 oder 70 Minuten Musik darauf sein müssen, weil eine CD exakt diese Kapazität aufweist.» Solche Vorgaben fallen bei Streamingportalen weg. Im Prinzip kann jeder zu Hause im Wohnzimmer einen Song aufnehmen und diesen im Internet hochladen. «Es spielt keine Rolle mehr, ob ich einen, drei oder hundert Songs hochlade», sagt Christen. Der Schweizer Musiker Loco Escrito beispielsweise hat seit dem Jahr 2018 sechs Singles herausgegeben. Ende Januar 2020 folgte zwar das Album, auf welchem neben fünf bereits erschienen Singles aber lediglich neun weitere Lieder sind. «Er hat das sehr clever gelöst», findet Christen.
Anfang Jahr ist Lars Christen von der Stadt Zürich nach Schlieren gezogen. Dabei schätzt er nicht nur den stark verkürzten Arbeitsweg, sondern auch die Wandlung der Stadt: «Schlieren hat sich in den letzten Jahren wirklich enorm entwickelt. Das ist im Grossen und Ganzen sehr positiv, allerdings wird die Stadt dadurch auch lukrativer. Immer mehr Leute ziehen hierher, leider», schmunzelt Christen. Er freut sich vor allem über die Nähe zum Wald, in dem er oft lange Spaziergänge unternimmt. Im Sommer sitzt er gerne im Garten des «Stürmeierhuus» bei einem kühlen Getränk. «Auf die Limmattalbahn bin ich gespannt, auch wenn ich sie selber wohl nicht viel nutzen werde.» Aber die Entscheidung, Schlieren zu seinem Wohnort zu machen, war nicht zuletzt auch eine gefühlsmässige: «Ich bin oft im Ausland, aber der zentrale Punkt meines Lebens war immer in Schlieren. Nirgendwo sonst habe ich mich in den letzten Jahren so zu Hause gefühlt wie hier.»
Text und Foto: Linda von Euw