Donnerstag, April 25, 2024
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Ein Traum geht in Erfüllung

Die Primarlehrerin Jeanine Eberle wandert im Oktober nach Nepal aus. Gemeinsam mit ihrem einheimischen Freund eröffnet sie eine Schule. Ausserdem sollen Strassen­kinder bei ihnen eine Heimat erhalten.

Während viele junge Frauen Anfang 20 erst einmal ein paar Jahre ihre neugewonnene Freiheit geniessen, hatte Jeanine Eberle in diesem Alter bereits einen konkreten Plan: Die mittlerweile 26-jährige Primarlehrerin aus Urdorf bereitet sich seit fünf Jahren auf ihren Umzug nach Tilottama in der Nähe der nepalesischen Stadt Butwal vor. Dort wird sie im Herbst 2020 die Schule «Junkiri Planet» (zu Deutsch: Glühwürmchen-Planet), eröffnen – gemeinsam mit ihrem Freund, dem Sekundarlehrer Amit Bidhyarthi. Dann soll auch möglichst bald das Projekt «Sano Prakash» (zu Deutsch: kleines Licht) anlaufen.

Aber der Reihe nach. Der Nepalese Amit und die Schweizerin Jeanine lernten sich 2015 im Rahmen ihres Austauschsemesters in Finnland kennen. «Ich wusste schon als Jugendliche, dass ich später gerne einmal ein soziales Projekt in einem anderen Land auf die Beine stellen will», erzählt die junge Frau. Dass sie diesen Plan so schnell und ausgerechnet in Nepal in die Tat umsetzen würde, wusste sie damals noch nicht. Doch mit der Liebe zu Amit reiften Eberles Ideen schnell zu konkreten Hilfsprojekten heran.

«2016 verbrachte ich ein halbes Jahr bei Amit in Butwal und unterrichtete an einer lokalen Schule», sagt die Primarlehrerin, die im Juli ihren ersten und einzigen Klassenzug an der Schule Reitmen in Schlieren verabschiedete. «Das Schulsystem in Nepal ist nicht so fortschrittlich wie unseres. Körperliche Bestrafung ist an der Tagesordnung», berichtet Eberle. Amit und sie wollen mit «Junkiri Planet» zeigen, dass es auch anders geht: «Amit konnte bereits zehn lokale Lehrpersonen verpflichten und hat diese unserer Philosophie entsprechend gecoacht. Wir möchten den Lehrberuf attraktiv gestalten und damit bewirken, dass dieser besser in der lokalen Gesellschaft etabliert und entsprechend entlöhnt wird. Aktuell ist dieser Beruf in Nepal nicht wirklich angesehen.»

Das Schulgebäude haben die beiden erst im Juli dieses Jahres gekauft. «Eigentlich hatten wir bereits ein Stück Land gepachtet und wollten dort selber bauen – die Kosten waren aber so hoch, dass wir schliesslich spontan beim Angebot, eine bestehende Schule zu kaufen, zugeschlagen haben», erklärt die junge Frau. Auch Nepal ist stark vom Coronavirus betroffen: Seit Ende März herrschte im ganzen Land der «Lockdown». Erst Ende Juli gab es erste Lockerungen. Alle Schulen sind bereits seit rund fünf Monaten geschlossen, weshalb die eine oder andere in Existenzschwierigkeiten gerät. Im Preis der von Eberle und Bidhyarthi gekauften Schule sind 2500 Quadratmeter Land, zwei Schulbusse, eine grosse Küche sowie eine Wohnung für das Paar inklusive.
Finanziert wird die Schule durch Spenden, die der von Eberle gegründete Verein «Sano Prakash» in der Schweiz sammelt. «Die Schule ist erst anbezahlt, es werden noch einige Kosten auf uns zukommen», sagt Eberle. Das Paar möchte in absehbarer Zeit den obersten Stock der Schule so umgestalten, dass dort Strassenkinder aufgenommen und untergebracht werden können. «In Nepal leben viele Kinder auf der Strasse. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um Waisenkinder, viele haben Eltern. Aber entweder werden die Kinder zu Hause misshandelt und laufen weg, oder die Eltern sind beispielsweise drogenabhängig und kümmern sich nicht um ihren Nachwuchs», weiss Eberle. Und genau solche Kinder sollen in «Sano Prakash» ein sicheres Zuhause und eine Schulbildung erhalten. Zwar sei der Schulbesuch in Nepal eigentlich obligatorisch, aber: «Die reicheren Eltern schicken ihre Kinder auf Privatschulen. Die öffentlichen Schulen sind zwar im Prinzip kostenlos, aber die Eltern müssen dennoch die Schuluniformen und Schulbücher bezahlen. Das können sich viele nicht leisten.»

Für «Junkiri Planet» müssen Eberle und Bidhyarthi ein monatliches Schulgeld von umgerechnet 10 bis 25 Franken verlangen: «Damit wollen wir Sano Prakash querfinanzieren», sagt Eberle. Ihre Schule bietet Platz für rund 200 Schülerinnen und Schüler: Ab Kindergartenalter bis zur 10. Klasse können die Kinder unterrichtet werden. Von den Einheimischen fühlt sich Eberle gut akzeptiert: «Als Frau habe ich es sicher etwas schwieriger als ein Mann, aber Amit ist gut vernetzt und seine Familie wird respektiert», sagt Eberle.

Die Sprache hat sie sich in den Grundzügen selber angeeignet – ihre Sprachkenntnisse seien aber definitiv noch ausbaufähig. Bis im Oktober hat Eberle noch Zeit, ihr Nepali zu verbessern. Dass man in Nepal in allem geduldiger sein muss als hierzulande, hat die Schweizerin bei ihren zahlreichen Aufenthalten in Nepal schon gelernt. Und auch sonst fühlt sich die «weisse Frau», wie sie in Nepal genannt wird, gut gewappnet für die kalten Winter und die feucht-heissen Sommer.

Sobald der Lockdown der örtlichen Schule endet, können Eltern ihre Kinder anmelden – und wenn alles gut läuft, ziehen schon nächstes Jahr die ersten Strassenkinder ein und werden kostenlos unterrichtet. Ein tibetisches Sprichwort sagt: «Ein Kind ohne Schulbildung ist wie ein Vogel ohne Flügel». Für das Paar ist klar: «Junkiri Planet» soll ein Ort werden, an dem Kindern Flügel wachsen.

 

Text: Linda von Euw; Fotos: zVg

 

 

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