Zelgli-Quartier
In Schlieren gibt es zunehmend mehr Bauten mit auffälligen Farben. René Schaffner, Bausekretär der Stadt, erklärt, was die Vorschriften sind und wie sie gehandhabt werden.
„Farben sind ein ganz schwieriges Thema“, sagt René Schaffner, Bausekretär der Stadt Schlieren. Bei ihm gehen die Gesuche für Neu- und Umbauten sowie Aussenrenovationen über den Tisch. Er kann mitreden, wie in Schlieren gebaut wird – und welche Farbe dabei zum Zug kommt. „Farben sind eine emotionale Angelegenheit. Und ob sie einem gefallen, ist subjektiv“, sagt Schaffner weiter.
Trotzdem stellt er fest: „Es gibt eher wenig Reaktionen aus der Bevölkerung zur Farbwahl an Gebäuden.“ Und wenn Meinungsäusserungen kämen, dann meistens in den ersten zwei/drei Monaten nach der Fertigstellung eines Baus. „Nachher wird die Farbe selbstverständlich und gehört zum Stadtbild.“
Das mag damit zusammenhängen, dass die Farbgebung an Gebäuden in Schlieren oft unspektakulär ist. Es dominieren Weiss-, Grau- und Erdtöne sowie helle Farben. Umso auffälliger ist, wenn einmal davon abgewichen wird. Etwa beim taubenblauen Wohnhaus an der Sägestrasse. „Das hat negative Reaktionen ausgelöst“, sagt Schaffner. Es sei das erste Mal gewesen, dass in Schlieren an einem Gebäude eine solche Farbe verwendet worden sei.
Oder bei der Überbauung an der Güterstrasse mit strassenseitig den blauen Balkonen (und der bahnseitigen roten Fassade). „Das wird kontrovers diskutiert“, sagt Schaffner. Die Reaktion der Bevölkerung sei eher kritisch. Architekturfachleute dagegen fänden die Farbgebung toll.
Fast schon Kunst am Bau
Weitere Gebäude in Schlieren mit satten, auffälligen Farben sind im Zentrum das backsteinfarbene Parkside an der Ringstrasse und das eben erst fertiggestellte Wohnhaus an der Brunngasse, dessen Fassade in anthrazit gehalten ist. In Schlieren Südwest betont die rote Farbe der Baute Kesslerstrasse 9 die Struktur der Fassade, die beim Umbau der ehemaligen Druckerei Univers zu einem Wohnhaus hätte glatt werden sollen. Die Farbe Weinrot an der Seitenwand hat ein Wohnhaus an der Rütistrasse in Schlieren Nord. Dort befindet sich auch die Gewobag-Überbauung an der Feldstrasse/Rohrstrasse mit Fassaden in gelb und orange. Die Aufzählung ist nicht vollständig.
Besonders farbig sind die Bauten am Goldschlägiplatz geworden. Da ist einmal das Bürohaus an der Wiesenstrasse, das mit seinen regenbogenfarbenen Rollläden auffällt. Für Schaffner ist das „schon Kunst am Bau.“ Gleich daneben steht das Einkaufs- und Wohnzentrum Rietpark, dessen Fassade dunkelgrün ist. Etwas weiter weg an der Brandstrasse steht ein Wohnblock in dunkelblau. Passen die Gebäude zueinander? „Wir haben in der rund 30‘000 m2 grossen Arealfläche ‚Färbi‘ bewusst nicht nach einem Zusammenhang gesucht“, antwortet Schaffner. „Die Bauherrschaft soll jedes Baufeld selber bespielen können.“ Auch in der Häufung auffälliger Farben sieht der Bausekretär kein Problem. „Das ist ein neuer Stadtteil – der darf ruhig etwas anders daher kommen“, sagt Schaffner.
So schwierig und emotional das Thema Farben ist, so vage sind die Vorschriften in den kantonalen und städtischen Baugesetzen (siehe Kasten). Das kantonale Planungs- und Baugesetz (PBG) hält für normale Bauten lediglich fest, dass sie so zu gestalten sind, dass sie – auch farblich – eine „befriedigende Gesamtwirkung“ erzielen. „In Schulnoten ausgedrückt heisst das, dass eine 4 bis 4,5 genügt“, sagt Schaffner. Oder anders ausgedrückt: „Wenn Farben bei Normalbauten nicht völlig störend sind, werden sie grundsätzlich bewilligt.“
Grosser Ermessensspielraum
An Arealüberbauungen und Gestaltungspläne werden dagegen höhere Anforderungen gestellt. Gemäss PBG müssen sie „besonders gut gestaltet“ sein. Das heisst, dass eine Note von 5,5 bis 6 gefordert ist. „Die Fassade und deren Farbgebung muss hochwertig sein und in Beziehung zum Ortsbild sowie zur baulichen und landschaftlichen Umgebung stehen“, erklärt der Bausekretär.
Die Bauordnung der Stadt Schlieren, die dem PBG untergeordnet ist, hält schliesslich in Sachen Farben fest, dass sie sich in der Kernzone „dem bestehenden Ortsbild anzupassen“ haben. Auch hier also haben die bewilligenden Behörden einen Ermessensspielraum. Schaffner hält fest, dass die Bewilligungsinstanz so wenig wie möglich in die Farbgebung an Bauten eingreifen will. „Der Bauherr baut, nicht wir“, sagt er. „Wir versuchen, wenn vertretbar die Eigentumsfreiheit nicht einzuschränken.“
Wer über ein Baugesuch entscheidet – und damit auch die Farbe der Fassade -, ist von Gemeinde zu Gemeinde anders geregelt. In Schlieren fällt der Farbentscheid dem Bausekretär zu – sofern es sich nicht um ein komplexes Projekt oder um eine Baute in der Kernzone handelt. Ist das der Fall, kommt der Ausschuss Bau und Planung zum Zuge. Er ist aus drei Stadträten, dem Bausekretär und dem Stadtingenieur zusammengesetzt, wobei die letzten beiden kein Stimmrecht haben. Heikle Bauvorhaben werden also nicht von der Stadtverwaltung entschieden.
Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich
ArealüberbauungenArt. 71, Abs. 1: Die Bauten und Anlagen sowie deren Umschwung müssen besonders gut gestaltet sowie zweckmässig ausgestattet und ausgerüstet sein.
Abs. 2: Bei der Beurteilung sind insbesondere folgende Merkmale zu beachten: Beziehung zum Ortsbild sowie zur baulichen und landschaftlichen Umgebung; kubische Gliederung und architektonischer Ausdruck der Gebäude; Lage, Zweckbestimmung, Umfang und Gestaltung der Freiflächen; Wohnlichkeit und Wohnhygiene; Versorgungs- und Entsorgungslösung; Art und Grad der Ausrüstung.
Normale Bauten
Art. 238, Abs. 1: Bauten, Anlagen und Umschwung sind für sich und in ihrem Zusammenhang mit der baulichen und landschaftlichen Umgebung im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen so zu gestalten, dass eine befriedigende Gesamtwirkung erreicht wird; diese Anforderung gilt auch für Materialien und Farben.
Bauordnung der Stadt Schlieren
Art. 7: Neu-, Umbauten und Aussenrenovationen haben sich in kubischer Gestaltung, Fassade, Fenster, Material und Farbe dem bestehenden Ortsbild anzupassen. Aussenrenovationen sind bezüglich Farbgebung bewilligungspflichtig (Anzeigeverfahren).
Text und Fotos: Martin Gollmer