Stadtrat Markus Bärtschiger, Ressortvorsteher Bau und Planung, hofft, dass das Nein des Gemeindeparlaments zu den stadträtlichen Vorhaben am Geissweidplatz und im Reitmen noch nicht das letzte Wort war.
Schlieremer: Herr Bärtschiger, das Gemeindeparlament hat sowohl den Antrag des Stadtrats zur Ausgestaltung des Geissweidplatzes mit achtzig Bäumen wie auch jenen zur Bahnquerung im Reitmen zurückgewiesen. Sind Sie enttäuscht?
Markus Bärtschiger: Immer, wenn man gewissenhaft eine Arbeit macht und sie nachher nicht akzeptiert wird, ist man enttäuscht. Das ist menschlich. Aber es gehört zum politischen Prozess in der Schweiz, dass es eine Legislative und ein Stimmvolk gibt, die das letzte Wort haben. Dabei muss man damit rechnen, dass man als Exekutive nicht das Resultat erhält, das man gern hätte.
Schlieremer: Jetzt ist sowohl die Erhaltung des Geissweidplatzes als Platz wie auch die Bahnquerung im Reitmen im neuen Stadtentwicklungskonzept enthalten. Was ist der Wert dieses Konzepts, wenn das Gemeindeparlament schon bei der ersten Gelegenheit Teile daraus nicht akzeptiert?
M.B.: Sie sagen «bei erster Gelegenheit». Vielleicht beurteilt das Parlament die beiden Projekte bei zweiter oder dritter Gelegenheit anders. Das Stadtentwicklungskonzept ist langfristig angelegt. Wir haben dabei von Anfang an gewusst, dass man nicht schon morgen alles erledigen wird, was darin steht. Deshalb gebe ich den beiden Projekten noch etwas Zeit. Was den Wert des Stadtentwicklungskonzepts betrifft, muss man es nicht schon kübeln, wenn ein Grünraum oder eine Bahnquerung fehlt. Dennoch ist es nicht ungefährlich, wenn schon die ersten Schritte nicht umgesetzt werden.
Schlieremer: Die Bahnquerung im Reitmen ist nicht nur im Stadt-
entwicklungskonzept, sondern auch im Verkehrsrichtplan enthalten. Was bedeutet das?
M.B.: Der Verkehrsrichtplan ist vom Parlament genehmigt worden. Damit sind Aufträge an den Stadtrat verbunden. Im Fall der Bahnquerung im Reitmen bleibt der Auftrag bestehen, auch wenn das Parlament jetzt den entsprechenden Budgetbetrag gestrichen hat. Vielleicht wird das Projekt nun einfach später realisiert. Denn der Druck, neue Nord-Süd-Verbindungen in Schlieren zu schaffen, wird immer grösser – auch im Reitmen. Dort entstehen ein neues Schulhaus und viele neue Wohnungen. Die Bewohner des Südwestens von Schlieren wollen die nördlichen Teile mit Arbeitsplätzen und dem Erholungsraum an der Limmat schnell erreichen können.
Schlieremer: Dann ist die Bahnquerung im Reitmen also nur geschoben und nicht aufgehoben?
M.B.: Wir müssen vom Stadtentwicklungskonzept und vom Verkehrsrichtplan her nicht schon morgen bauen. Deshalb haben wir im betroffenen Gebiet Sicherungen vorgenommen, damit wir die Bahnquerung auch später noch verwirklichen können. Die Frage ist jetzt: wann wird gebaut und wer zahlt dann dafür? Ein Problem dabei ist nämlich, dass wir später eventuell die Bundesgelder für das Projekt nicht mehr erhalten werden, die jetzt noch im Agglomerationsprogramm 3 dafür vorgesehen sind.
Schlieremer: Wie geht es nun beim Geissweidplatz weiter?
M.B.: Auch hier hat der Stadtrat einen Auftrag – vom Kanton und vom Bund. Der Auftrag lautet, verdichtete Räume dynamisch zu gestalten. Das bedingt aber auch, dass es Gegenstücke dazu gibt – Räume also, wo man Ruhe hat und in die Weite schauen kann. Für die Dynamik sorgen die privaten Bauherren. Für Freiflächen sorgen sie dabei selten, weil diese keine Rendite abwerfen. Das muss der Staat – in Schlieren die Stadt – machen. Wir haben die einmalige Chance, dass wir das gut und günstig machen können, weil wir noch viele freie Räume haben, gerade auch im Zentrum. Diese Räume müssen wir erhalten oder sogar noch verbessern.
Schlieremer: Nun will das Parlament beim Geissweidplatz aber keinen Freiraum, sondern eine Überbauung, die Rendite abwirft. Ein entsprechendes Projekt wälzt auch die Liberale Baugenossenschaft Schlieren. Was sagen Sie dazu?
M.B.: Das Mehrfamilienhaus, das die Liberale Baugenossenschaft projektiert, befindet sich an einem technisch schwierigen Ort: Eine Wendeschlaufe der Limmattalbahn muss unter dem Haus durchgehen.
Dann gibt es noch ein paar rechtliche Stolpersteine für einen Bau an dieser Stelle. Diese Probleme führen dazu, dass das Projekt nicht ganz günstig sein und es schwierig werden wird, mit dem Objekt eine angemessene Rendite zu erzielen. Gebaut würde an einem Ort, der jetzt noch ein Freiraum ist. Über dessen aktuelle Aufenthaltsqualität kann man sicherlich diskutieren. Das Projekt des Stadtrates, das unter anderem eine Bepflanzung des Platzes mit Bäumen vorsieht, hätte aber eine Verbesserung dieser Qualität gebracht. Kurz: betriebswirtschaftlich gesehen ist das Projekt einer Hochbaute auf dem Geissweidplatz schwierig, aber machbar. Volkswirtschaftlich betrachtet, macht dagegen die Aufwertung des Ortes mehr Sinn.
Schlieremer: Ein Komitee hat eine Volksinitiative lanciert und will erreichen, dass der Platz freigehalten und gestaltet wird.
M.B.: Sie würde die Umsetzung des Projekts des Stadtrates ermöglichen. Aber jetzt müssen wir erst abwarten, was die Schlieremer Stimmbürger davon halten. Man hört beides in der Bevölkerung. Die einen sagen, das Parlament spinne mit seiner Forderung nach einer Renditebaute. Die andern sagen, das Steuergeld könne man besser einsetzen als für einen Miniwald.
Schlieremer: Was geschieht, bis ein Volksentscheid vorliegt?
M.B.: Wir führen Gespräche mit der Liberalen Baugenossenschaft (LBS), um ihre genauen Absichten besser kennenzulernen. Wir untersuchen aber auch nochmals, ob die Stadt selber auf dem Areal bauen soll. Geklärt werden muss ebenfalls die Frage, ob und wie allenfalls ein Verkaufswettbewerb stattfindet – ein Direktverkauf an die LBS ist keinesfalls sicher. Zusätzlich besteht die Pflicht, einen Architekturwettbewerb durchzuführen, weil der Platz sich in einem Gestaltungsplangebiet befindet. Gleichzeitig verlieren wir auch die Idee eines gestalteten Platzes nicht aus den Augen. Im Zentrum planen wir nämlich auch noch einen Stadtsaal und eine Alterseinrichtung. Dabei stellt sich die Frage, wie viel Freifläche kann und soll man aus diesem Gebiet noch herausnehmen. Eigentlich wollten wir den Stadtpark grösser machen. Jetzt sind wir aber eher daran, das Ganze zu verkleinern.
Text und Fotos: Martin Gollmer