«An den Geburtsort meiner Songs zurück»

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Der Schweizer Musiker Marc Sway hat sein neustes Album «Way back Home» in Schlieren und in Rio de Janeiro aufgenommen. Was dem 40-Jährigen an Schlieren am besten gefällt und welche Farbe er für das Flügeldach auf dem neuen Stadtplatz gewählt hätte, verrät er im Interview mit dem «Schlieremer». Am 5. September tritt Sway am Schlierefäscht auf.

Schlieremer: Im Gegensatz zu vielen anderen bist du bekennender Schlieren-Fan: Hast du deshalb dein letztes Album hier aufgenommen?
Marc Sway: Mich hat die Musik nach Schlieren gebracht. Das begann eigentlich schon in meiner Kindheit: Das erste, was ich von Schlieren kennenlernte, war die Musik der «Schlieremer Chind». Deren Lieder haben mich durch meine Kindheit begleitet. Zum anderen hat mein Produzent Lars Christen sein Studio in Schlieren – deshalb habe ich während gut 18 Monaten wirklich viel Zeit hier verbracht.

 

Schlieremer: Welches Bild hattest du vor deiner Arbeit hier von Schlieren?
Marc Sway: Ich glaube, ich hatte das Bild, welches wahrscheinlich viele haben: Städte, die ausserhalb einer Grossstadt liegen, werden immer leicht stiefmütterlich behandelt. Schlieren ist so etwas wie der kleine Bruder von Zürich – direkt nebenan, aber gehört doch nicht richtig dazu. Durch meine Zeit hier habe ich aber herausgefunden, was Schlieren alles zu bieten hat.

 

Schlieremer: Schlieren hat sich ja gerade in den letzten Jahren stark verändert – es wurde viel gebaut. Welches Schlieren gefällt dir besser: Das neue oder das alte?
Marc Sway: Mir gefällt der alte Stadtkern am allerbesten – dieser hat für mich am meisten Charakter und am meisten Geschichte. Gerade die Gegend rund um das Stürmeierhuus finde ich den schönsten Teil Schlierens.

 

Schlieremer: Wie findest du den neuen Stadtplatz?
Marc Sway: Mein Produzent und ich haben uns lange über die Farbe des Flügeldachs gestritten – ich wäre für eine Pastellfarbe gewesen. Interessant finde ich aber vor allem den Wandel: Schlieren entwickelt sich gerade von seinem vielleicht eher etwas verschlafenen Dorf zu etwas Eigenständigem. Hier kommen alt und neu zusammen. Spannend wird sein, wie sich die vielen Neubauten ins Stadtbild integrieren. Die neuen Quartiere rund um den Bahnhof funktionieren sicher auf dem Plan, nun muss sich zeigen, ob sich die Läden und Restaurants dort auch mit Leben füllen und von den Menschen angenommen werden. Lars und ich gehen übrigens oft beim Libanesen «Mezze» essen.

 

Schlieremer: Einen Teil deines neuen Albums «Way back Home» hast du in Rio de Janeiro aufgenommen: Ist ein neuer Marc Sway zurückgekehrt?
Marc Sway: Ja und nein. Vielleicht insofern neu, dass sich mein Sound verändert hat. Ich habe meine brasilianischen Wurzeln in die Musik integriert. Nein deshalb, weil die brasilianischen Wurzeln ja schon in mir schlummern, seit ich ein kleiner Junge bin – ich habe eine brasilianische Mutter und einen Schweizer Vater. Neu ist, dass ich dieses Mal meine brasilianischen Wurzeln so konsequent in die Musik habe einfliessen lassen. Das Album habe ich darum auch in zwei Grossstädten aufgenommen: In Rio de Janeiro und in Schlieren (lacht).

 

Schlieremer: Würdest du sagen, dass deine Musik schon immer von deinen brasilianischen Wurzeln geprägt war, oder schlägt in deiner Musik mehr der Schweizer durch?
Marc Sway: Meine Musik hatte sicherlich immer leichte brasilianische Einflüsse. Aber im neuen Album sind diese quasi zum Hauptthema geworden. Es heisst ja auch «Way back Home» – also der Weg zurück nach Hause. Für mich ist beides ein nach Hause kommen: Wenn ich zurück in die Schweiz wie auch nach Brasilien komme.

 

Schlieremer: Du machst schon lange Musik. Weshalb hat es so lange gedauert, bis du zu deinen brasilianischen Wurzeln gefunden hast?
Marc Sway: Ich glaube, ich habe immer wieder versucht, sie einzubinden. Doch dieses Mal war es ein bewusster Entscheid. So ein Vorhaben ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden: Wir mussten einen langen Weg und die damit verbundenen Kosten auf uns nehmen. Gerade wenn man verschiedene Musikstile miteinander verbindet, muss man auch jedem seinen Platz einräumen. Es ist wie ein Gespräch: Man redet, hört aber auch zu – ich musste zulassen, dass andere einen gewissen Raum innerhalb der Musik einnehmen.

 

Schlieremer: War es das erste Mal, dass du so etwas gewagt hast?
Marc Sway: Ich hatte etwas Ähnliches schon beim Album «Tuesday Songs» vor gut 10 Jahren erlebt: Damals haben wir in New York aufgenommen. Wir kannten nur den Schlagzeuger Sergé «JoJo» Mayer. Dieser hat dann verschiedene Musiker ins Studio geholt – sie alle hatten vorher noch nie zusammengespielt. Meine Plattenfirma fragte mich damals, ob ich denke, dass das gut kommt. Ich hatte keine Ahnung. Aber es ist dann gut geworden. Ich würde es jederzeit wieder tun. Ich bin bislang noch nie gescheitert – vielleicht muss ich aber auch diese Erfahrung einmal machen (lacht).

 

Schlieremer: Wie unterscheidet sich die Musikszene in Brasilien von der hiesigen?
Marc Sway: Musikalisch ist Brasilien das Land des Rhythmus – die Musik ist sehr geprägt von den afrikanischen Einflüssen, die die Sklaven mit nach Brasilien gebracht haben. Wenn man in Rio in einem Studio sitzt, kommen ständig Leute rein – andere Musiker schauen vorbei und hören rein. Die Musiker kennen sich alle, das war im ersten Moment für uns ungewöhnlich. Wir hatten immer verschiedene namhafte brasilianische Musiker im Studio. Alles war sehr lebendig und spontan.

Schlieremer: Was denkst du, bleibt deiner Musik der neue brasilianische Einfluss in Zukunft erhalten?
Marc Sway: Ich glaube schon. Wobei ich damit nicht sagen möchte, dass ich nie wieder etwas anderes machen werde. Ich denke, ich bin auch bekannt dafür, dass ich immer wieder Dinge in meiner Musik verändere.

 

 

Schlieremer: Viele Musiker haben ja genau vor solchen Veränderungen Angst?
Marc Sway: Ja, wenn man nichts ändert, hat das natürlich den Vorteil, dass man damit einen grossen Wiedererkennungswert hat. Man kann sich ein Stammpublikum aufbauen. Ich fand es aber schon immer interessanter, mich neu zu erfinden. Das ist sicherlich ein längerer Weg, der einen als Musiker weniger fassbar macht. Aber vielleicht ist das genau der Grund, weshalb ich auch nach 15 Jahren Musikmachen noch präsent bin.

 

Schlieremer: Du betonst oft, dass du mehr als eine Heimat hast – und dass Heimat eher ein Gefühl als ein Ort ist. Könntest du überall auf der Welt leben?
Marc Sway: Ich reise als Musiker ja permanent. Für mich ist ein Weg zum Glück, dass ich überall auf der Welt versuche, in der Gegenwart und bewusst zu leben. Wäre Heimat für mich nur ein Ort, wäre alles sehr viel schwieriger. Ich versuche mich an neuen Orten sofort zu integrieren, neue Sachen zu entdecken und den Ort als meine Heimat anzunehmen. Das ist in Rio de Janeiro geschehen wie auch hier in Schlieren. Zum Leben empfinde ich die Schweiz aber schon als grosses Privileg: Wir sind hier sehr sicher – meine Kinder können alleine zur Schule gehen, ohne dass ich Angst haben muss.

 

Schlieremer: Du hast mal gesagt, dass Texten eine sehr intime Arbeit ist. In deinem neuen Album erscheinen die Songs in verschiedenen Sprachen. Hast du jeweils Hilfe beim Texten?
Marc Sway: Ja, ich habe in verschiedenen Sprachen immer Partner, die mir helfen, es noch besser zu machen. Im englischen arbeite ich schon seit Jahren mit Sékou Neblett (Anm.d.Red.: US-amerikanischer Rapper und Regisseur, der Mitglied der Band «Freundeskreis» war) zusammen. Ich bin im Musikmachen ein Teamplayer. In erster Linie bin ich Musiker und Sänger und in zweiter Linie Komponist. Und um den Komponisten-Teil zu erfüllen, greife ich gerne auf Teamarbeit zurück – beim letzten Album war Lars Christen von Anfang an auch beim Komponieren dabei.

 

Schlieremer: Vom letzten bis zu diesem Album sind fünf Jahre verstrichen: Wieso hat es so lange gedauert?
Marc Sway: Ein Projekt wie dieses mit Brasilien hat wohl einfach seine Zeit gebraucht. Ich glaube, ich habe auch so lange gebraucht, bis ich wieder genug zu sagen und mich gefunden hatte. Bis zum nächsten Album wird es aber wohl nicht mehr ganz so lange dauern (lacht).

 

Schlieremer: Du warst ja bei den ersten zwei Schweizer Staffeln von «The Voice of Switzerland» als Juror dabei. Die Sendung soll nach fünf Jahren Unterbruch dieses Jahr zurück auf die Schweizer Bildschirme kommen. Wirst du auch wieder dabei sein?
Marc Sway: (Schmunzelt) Ich bin nicht angefragt worden. Das hat sicher auch damit zu tun, dass der Sender gewechselt hat (Anm.d.Red.: Von SRF zu 3Plus). Ich finde es gut, wenn ein neuer Sender auch eine neue Jury wählt. Ich bin gespannt und freue mich darauf, für einmal nur Zuschauer sein zu dürfen.

 

Schlieremer: Wie stehst du zu deiner ehemaligen Juroren-Tätigkeit dort?
Marc Sway: Weltweit ist «The Voice» sicher eines der erfolgreichsten TV-Formate. Wenn ich zurückblicke, bin ich froh, dass ich den Juroren-Job damals wahrgenommen habe. Vor vier Wochen war ich beispielsweise in New York. Da kam jemand auf mich zu und hat mich als Coach der damaligen Staffeln erkannt. Dasselbe ist mir auch auf den Malediven und auf Mauritius passiert. Ich habe bislang zwei Dinge gemacht, die eine solch globale Wirkung zeigten: Als Coach bei «The Voice» dabei zu sein und einen Auftritt am «Ballon d’Or» – dem Oscar der Fussballer.

 

Schlieremer: Wie stehst du eigentlich zum Schlierefäscht: Warst du schon einmal dort?
Marc Sway: Ja, ich durfte tatsächlich schon vor drei Jahren hier auftreten. Ich glaube, normalerweise muss man länger warten, bis man wieder hier spielen darf (lacht). Aber da ich mein Album hier aufgenommen habe und auf dem Weg vom Studio zum Mittagessen zufällig einmal den Stadtpräsidenten getroffen habe, hat sich das nun doch eher ergeben. Ich freue mich sehr. Wir werden die Songs spielen, die wir nur einen Steinwurf vom Festgelände aufgenommen haben. Dieses Schlierefäscht wird für mich ein besonderes sein – ich kehre an den Geburtsort meiner Songs zurück.

 

Text: Linda von Euw, Fotos: Marina Lukac

 

 

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