Dienstag, März 19, 2024
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Schlierens Baupatron vom 20 Jh.

Postgebäude Schlieren, 1912

Tramwartehalle als Blockaus, 1920.

Bergsonne, alter Zürichweg 16, 1932.

Neubau Uitikonerstrasse, 1933.

Gasthaus Löwen, 1908.

In unserer Reihe über Schlierens historische Gebäude wenden wir uns heute der Epoche zwischen 1900 und 1960 zu. In dieser Zeit machte die Gemeinde eine stürmische Entwicklung durch. Der Westen des Dorfes war noch weitgehend unbebaut; im Zentrum stand noch der Kranz der alten Bauernhäuser – aber der Wandel zum städtischen Vorort zeichnete sich ab. Bauvorschriften, Gesetze und Regulierungen schränkten einen Macher damals noch nicht so ein, wie wir das heute
kennen. Ein solcher «Reisser», ein wagemutiger Familienpatriarch war Jakob Lemp.

Dem Burschen blies der Wind ins Haar, tät fast den Hut verlieren!
Er wanderte das zehnte Jahr, dann endlich blieb er wo er war in Schlieren

Dieser Spruch ziert den Eingang eines der schönsten Gebäude Schlierens – der Bergsonne am alten Zürichweg 16. Hinter diesem Haus steckt die Geschichte einer Persönlichkeit und eine Familiengeschichte.

Zimmermann Jakob Lemp von Attiswil BE zog 1906 als Dreissigjähriger nach Schlieren. Zehn Jahre war er als Geselle in seiner schwarzen Zimmermannskluft gewandert, «auf Walz», wie das Zimmergesellen seit Jahrhunderten tun, vor allem in Deutschland. 1904 hatte er in Biel Emma Kunz geheiratet. Für seinen Schulkameraden Gottfried Hermann hatte er im Kessler einen kleinen Hof gebaut, etwa dort, wo heute die SOCAR-Tankstelle steht (das Haus steht heute nicht mehr). Vielleicht hat er in diesem Zusammenhang Bande in Schlieren geknüpft, möglicherweise Land gekauft und ist deshalb im Alter von 30 Jahren ausgerechnet hier sesshaft geworden – wir wissen es nicht.

Lemp muss ausserordentlich tüchtig gewesen sein, weit über sein Zimmermannshandwerk hinaus, und in Schlieren wurde er nun offenbar zum richtigen Mann am rechten Ort zur rechten Zeit. «Nur wer mehr leistet, kann sich mehr leisten», sagte er einmal zu Xaver Isenschmid, dem Zimmermann-Polier seines Sohnes «Schaggi» Lemp. Das war seine Maxime: Immer weiter, stetig fort, immer mit den hiesigen Handwerksbetrieben zusammen (Maler Steiner, Elektriker Haupt, Sanitär Miller, Architekten Hans Kappeler, Otto Müller u.a.). Man kann sich das wohl als Schlierens dominierende Baugruppe in jener Zeit vorstellen. Lemp war ein Dorfkönig. (Die Baugenossenschaft «Allmend», heute Allmend AG, wurde übrigens von genau diesen Handwerkern nach dem 2. Weltkrieg gegründet.)

Der Mann prägte Zeit und Ort: Schlieren hätte damals auch Lempwil heissen können. Ein grosser Teil der Wohnhäuser an der Garten- und Freiestrasse, an der Urdorferstrasse, am Lilienweg, ein Teil der Häuschen am Heimeliweg, aber auch viele an der Schulstrasse, am Brunnackersteig und im Zentrum stammen von ihm. Auch das Dach der reformierten Kirche baute er; und das alte katholische Kirchlein überführte er nach Bürglen TG. Er besass eine Kiesgrube bei der Ruine Schönenwerd, beutete sie aus, füllte sie und überbaute das Areal mit Wohnungen für seine Arbeiter.

Jakob Lemp

Er hatte einen «Riecher» und erkannte Schlierens Entwicklungsmöglichkeiten im freien Westen. Mutig kaufte er Land oder liess sich solches überschreiben für geleistete Arbeiten. Dabei nützte ihm sein guter Draht zur Kantonalbank. Gemäss seinem Leitspruch «immer voran» kaufte und verkaufte er Land – immer mit Architekturverpflichtung und ebensolcher für die Baumeister- und Zimmermannsarbeiten. Je nachdem baute er auf eigene Rechnung oder dann im Auftrag von Bauherren – mit eigenen Plänen oder auch nach denen von Architekten (auch auswärtigen, wie z.B. Bruno Frisch, Müller & Freytag oder Paul Fierz).

Oft ist Lemps Handschrift unverkennbar, die Gebäude prägen ihr Quartier und stiften für die Bewohner Identität. Sie sind alle wohl proportioniert, solide, markant und zeitlos; unaufdringlicher bürgerlicher Heimatstil mit Elementen wie Erkern, Dachgauben, Balkonen, Windfängen und einem sorgfältigen Innenausbau. Die allermeisten stehen heute noch und zeugen vom Können ihrer Erbauer. Alle diese Gebäude können wir hier nicht vorstellen, aber stellvertretend einige der wichtigsten Zeitzeugen schon.

Bergsonne, alter Zürichweg 16 im Jahr 1932

Diese «Bergsonne» ist wohl eines der allerschönsten Häuser Schlierens. Jakob Lemp baute es für sich; es ist vom Typ her ein Landhaus des frühen 20. Jahrhunderts: Vorwiegend im Heimatstil mit Erker, Walmdach, sorgfältig geschnitzer und bemalter Dachgaube und geschützter Eingangspartie. Der eingangs erwähnte Spruch erinnert an den Weg des Erbauers, eben den eines Wanderburschen. Die Bergsonne ist ein Manifest: «Seht her – das alles habe ich geschafft!» Ein gemalter Wandergeselle geleitet einen zur Haustür; das Lebensmotto des Erbauers ist an der Wand verewigt.

 

Auch andere Bauten von Jakob Lemp stehen im heutigen Schlieren immer noch. (Plan ist nicht vollständig)

Der dominante und alles beherrschende Patriarch Jakob Lemp hatte zwei Söhne und zwei Töchter. Er teilte um 1955 seine Firma auf und übergab sie seinen Söhnen, ohne aber seinen Einfluss aufzugeben. Jacques Lemp («Schaggi» genannt) übernahm die Zimmerei, Johannes (Hans) Lemp führte das Baugeschäft. Zimmermann Schaggi musste seinen Werkschopf hinauf zum Tunnel an der Bahnlinie an die Uitikonerstrasse zügeln – die heutige sogenannte «Lemp-Scheune». Er wohnte nun am Rainweg 4, in einem Haus, das die Lemp-Handschrift trägt. Baumeister Hans seinerseits zog an den Lilienweg, er hatte Werkplätze und Lager verteilt über ganz Schlieren.

Vater Lemp verkaufte um die gleiche Zeit sein Werkareal an der Kreuzung Schul-/Uitikonerstrasse der Salmenbräu; seit 1957 steht dort der Salmen-Komplex mit Saal.

Wohnhäuser an der Freiestrasse, 1925 – 1928

Als Garderobe hinter der Bühne dient heute noch das angebaute ehemalige Lemp-Haus.

Die Brüder führten die Firma weiter; der Gründer und Patriarch blieb weiterhin tätig. Aber die Blütezeit war vorbei. Die Söhne waren vorsichtige, kompetente, aber eher bescheidene Berufsleute. Mag sein, dass das dem Gründer nicht nur Freude gemacht hat. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er ein zweites Mal; darüber gibt es verschiedene Berichte. Jedenfalls kam es zu Differenzen: die Firma hatte ihre Blütezeit hinter sich. Mit dem Tod von Hans und «Schaggi» erloschen sowohl Baugeschäft als auch Zimmerei in den Jahren um 1990.

Alter Zürichweg 59, Haus Rütschi, «Berner Ründi», 1918.
Liftturm der Wagi, 1928. Ehemals SAFFA Bern.

Text: Philipp Meier, Fotos: zVg

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