Freitag, April 26, 2024
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Stolz und Wahrzeichen der Stadt

«Der Salmen – Aschenbrödel oder stolzer Schwan» – hiess der erste Teil der wechselvollen Geschichte des Hotel-Restaurants mit Saal. Der zweite Teil beschäftigt sich nun mit der Eröffnung des Hauses im Jahr 1957, das während langer Zeit der eigentliche Mittelpunkt des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens Schlierens war.

In den 1950er-Jahren wandelte sich das Gesicht des bäuerlichen Zentrums Schlierens hin zum Kern einer Industriestadt. Wir haben im letzten «Schlieremer» davon berichtet. Der Wandel tat vielen weh, war aber letztlich nicht aufzuhalten. Mit Bangen sah man insbesondere dem Verlust des alten Restaurants «Lilie» mit seinem Saal entgegen.

Inmitten dieses Umbruchs trat die damalige Salmenbräu Rheinfelden an Baumeister Jakob Lemp heran. Ihm gehörte ja das ganze Geviert südöstlich der Kreuzung Uitikoner-/Schulstrasse; es war sein Werkhof. Die Absicht der Brauerei war, hier ein Restaurant mit Hotel zu erstellen, ganz im Einklang mit der Geschäftsphilosophie. Damals wurden Gastwirtschafts-Patente vom Kanton nur nach Massgabe der Bevölkerungszahl und nur bei Vorliegen eines Fähigkeitsausweises vergeben – mit grossem Ermessensspielraum. Die Salmenbräu war also auf den Goodwill und die Empfehlung der Gemeinde höherenorts angewiesen.

Kuhhandel mit der Gemeinde
Subtil liess Schlieren daher in Gesprächen und einem Vorentscheid 1954 anklingen, dass ein Hotel-Restaurant mit Saalbau schon sehr positiv begleitet würde: «Ein Hotelneubau würde begrüsst, evtl. mit Saal.» Die Salmenbräu reagierte mit der nüchternen Feststellung, dass so ein Saal niemals rentieren würde – ob nicht die Gemeinde sich an den Baukosten beteiligen könne? Nach einigem Hin und Her einigte sich die Bauherrschaft mit den Behörden in Schlieren und Zürich auf einen Kuhhandel: Ein zusätzliches 6. Geschoss für den Hotelbau wurde bewilligt, und Schlieren beteiligte sich mit 350’000 Franken à-fonds-perdu an den Saalkosten. In kürzester Zeit wurde der Bau erstellt (übrigens von den Söhnen des alten Jakob Lemp, nämlich vom Baugeschäft Hans Lemp und dessen Bruder, dem Zimmermann Jakob «Schaggi» Lemp).

Architektonisch ist das Ensemble ein wohlproportionierter Gebäudekörper. Architekt Peter Sennhausers Bau besticht – gemäss kantonaler Denkmalpflege – gerade durch seine Schlichtheit. Er «fügt sich gut in die bestehenden Strukturen ein und übernimmt durch die weit vorragenden Satteldächer den Anschluss an die historische Bebauung».

Festliche Einweihung
An der festlichen Einweihung am 26. Januar 1957 waren die Behörden der umliegenden Gemeinden, das Cabaret Rotstift, der Satus und natürlich der Musikverein Harmonie beteiligt, und mancher Redner sprach (zu Recht) von der zukünftigen Ausstrahlung des Hauses im Limmattal. Der erste Wirt, Robert Wyss, kam vom «Gütsch» in Luzern. Als ehemaliger Sänger am Stadttheater Luzern gab er gleich eine Arie zum Besten. Er sah glanzvolle Veranstaltungen mit Theater-, Operetten- und Cabaret-Abenden voraus; das alles nebst den traditionellen Vereinsanlässen.

Wichtig für Schlieren war insbesondere der Saal. Das Mitbenutzungsrecht für die Vereine war geregelt, und der Vertrag wurde 1982 um 25 Jahre verlängert; 2017 lief er aus. Die Stadt sprach 1983 nochmals 800’000 Franken an die Renovation und Verbesserung des Saals. Der damalige Stadtpräsident Heiri Meier erwähnte immer wieder, u.a. auch im Jahrheft 2006, dass es sich um einen sehr wertvollen Grundbucheintrag handelte. Ohne ihn wäre der Saal wohl zweckentfremdet worden und den Vereinen nicht zur Verfügung gestanden. Der Hotelbetrieb des Salmen nebenan wurde 1982 aufgegeben und die Zimmer zu Wohnungen umgebaut.

Zentrum für Kultur, Politik und Vereine
Während 60 Jahren (von 1957–2017) konnte Schlieren also über den Saal mitbestimmen. Und wer nützte ihn während dieser Zeit nicht alles! Radballspiele wurden veranstaltet. Der Saal wurde zur Heimat der Schlieremer Vereine. Um nur einige zu nennen: Der Harmonikaclub und die Stadtjugendmusik traten auf; Satus, STV, und Jodler führten ihre Jahresunterhaltungen durch; der Männerchor organisierte Fasnachtsbälle (an denen das Publikum dichtgedrängt teilnahm – im prüden Schlieren…). Es gab die legendären Oktoberfeste mit Bierbrunnen, Ochsenbraten, drehbarer Bühne und Festzelt auf dem nebenan liegenden Gelände des heutigen Bauhofes. Jahrzehntelang fanden alle Proben und die Jahreskonzerte der Harmonie hier statt. Altersnachmittage, Kleiderbörsen, Hochzeiten, Schulveranstaltungen wechselten in buntem Reigen. Das Theater für den Kanton Zürich war hier, die Kulturkommission der Stadt organisierte Anlässe, und und und…

Auch das «offizielle» Schlieren war hier zu Hause: Schon das erste Gemeindeparlament tagte 1974 hier – bis zu seinem Wegzug ins Schulhaus «Reitmen» im Jahr 2018.

Baustelle Salmen 1956.
Saal mit «Chalet Lemp».

Saal mit hervorragender Akustik
Dass der Salmensaal über eine hervorragende Akustik verfügt, wusste auch der grosse Walter «Fredy» Wettler (1921–2000). Er war einer der allerbesten Tontechniker der Schweiz. Schon als 18-Jähriger war er an der Landi (1939) im Demonstrationsstudio des damals neuen Radios tätig. Er war Amateurjazzpianist, bildete sich an der ETH zum Elektroingenieur aus und nahm während der nun folgenden Laufbahn in ganz Europa alles auf, was Rang und Namen hatte: Klassische Musik etwa mit Bernstein oder Furtwängler, aber auch Jazz z.B. mit dem Metronome Quintett. Und dies in Stereo!

Hinter der Bühne des Saals richtete er sich ein Tonstudio ein, und so wurde der Salmen in den 1960er- und 1970er-Jahren zu einem Hotspot der Musik. Werner von Aesch spielte die Platten mit seinen Schlieremer Chind ein. Die erste grosse Beat-Band der Schweiz, Les Sauterelles, nahm 1965 u.a. eine Platte live auf, direkt von der Bühne des Salmensaals. 1961 war der Saal wochenlang verbaut mit den Kulissen für den Film «Hazy-Osterwald-Story». Nella Martinetti, Lolita, Vivi Bach, Bill Ramsey und Rex Gildo hatten Gastauftritte.

Ein Anliegen war für Wettler die Ländlermusik, seine «Ländlerabende im Salmen» wurden legendär. Thomas Marthaler mit «Zoge-n-am-Boge», Ueli Mooser, Bruno Spoerri, und Josias Jenni spielten hier auf. Die Minstrels mit ihrem «Grüezi wohl Frau Stirnima» landeten einen Hit. Die Churer Ländlerfründe mit Peter Zinsli oder der unverwechselbare Rees Gwerder traten auf und spielten Platten ein. Für die Expo 64 machte Wettler hier eine Anthologie authentischer Volksmusik aus den Schweizer Bergen. 1978 entstand die Schalllplatte «Sechseläuten-Hits» zum 75-Jahr-Jubiläum des Musikvereins Harmonie Schlieren.

Das blieb so bis weit in die 1980er-Jahre hinein. Der rasante technische Wandel überholte nun Wettlers Tonstudio; Vinyl war out, und die Aufnahmetechnik setzte auf Mehrspurtechnik. Aber auch andere Entwicklungen trugen dazu bei, dass der «Salmen» ins Abseits geriet.

Der Anfang des Niedergangs
Die Blütezeit dauerte bis weit in die 1980er-Jahre hinein. Sie hing natürlich auch zusammen mit charismatischen Wirtspersönlichkeiten: Dem ersten Pächter (Robert Wyss) folgten u.a. Arthur Pfenninger, Ernesto Togni, Hansjörg Halbheer, Peter Kqira. Jeder sorgte – zusammen mit der Eigentümerschaft – für ein gutes, unkompliziertes Einvernehmen mit den Vereinen.

1983 wurde der Hotelbetrieb aufgegeben und Wohnungen eingebaut; der Saal blieb. Die Stadt begleitete den «Salmen» während all der Jahre mit der sogenannten Salmenkommission und investierte viel Geld in Renovation und Unterhalt oder die Erneuerung der Bühnen-Infrastruktur, insgesamt über 1,3 Millionen Franken. Daneben wurde auch für den Unterhalt jährlich ein indexierter Pauschalbeitrag, nämlich etwa 30’000 Franken an die ungedeckten Saalkosten bezahlt. Auch an den Reinigungskosten beteiligte man sich. Noch einmal folgte ein Anlauf: Im Jahr 2000 wurde der Salmensaal in «Kongress- und Stadtsaal» umbenannt. Anlässlich des Einweihungsfestes nach der grossen Renovation herrschte Aufbruchstimmung. Doch – es kam anders.

Die Besitzerin (ab ca. 1970 Hürlimann Immobilien), hatte den Salmen immer sehr sorgsam betreut, verkaufte das Ensemble aber später an Finanzinvestoren. Heute gehört das Ensemble der Swiss Finance & Property Funds AG, welche in erster Linie natürlich finanzielle Interessen hat. Der Salmen, eigentlich ein Bijou an einer tollen Lage, verlor nun viel von seinem Glanz und seiner Ausstrahlung. Teilweise gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Vereinen einerseits und Besitzerschaft und den Geranten andererseits schwierig.

Metronome-Quintett.

Probleme mit den neuen Pächtern
Mit den neuen Pächtern wuchsen in den letzten Jahren die Probleme. Für die Vereine waren Streitpunkte der Ärger mit Doppelbelegungen, mangelnde Hygiene bei den Toiletten, Unterverpachtung, Zweckentfremdung der Garderoben oder die Unmöglichkeit, selber «wirten» zu können. Wenn ein Ruf einmal angeschlagen ist… Schliesslich zog auch die Harmonie für ihre Proben nach Urdorf, eigentlich nur ungern. Beifügen wird man auch müssen, dass auch die Vereine nicht mehr mit dem gleichen Feuer ans Werk gingen: Der Mitgliederschwund oder gar die Vereinsauflösung liessen die Zahl der Jahresveranstaltungen im Saal sinken.

Immer wieder gab es auch Probleme mit der Nachbarschaft: Es gab lärmintensive Veranstaltungen bis weit in die Nacht hinein, Ruhestörungen, fehlende Parkplätze, Suchverkehr, Vandalenakte, Schmutz. Oft auch Thema die Heizung: Der Gemeinderat fror während seiner Sitzungen; die Heizung war ungenügend eingestellt. Heute tagt er im Reitmen-Schulhaus.

Nun die Frage: Wie weiter?
Ja – wie soll es mit dem Salmen weitergehen? Die Schwierigkeiten (Parkplatzsituation, Lärmbelästigungen) sind unbestritten. Aber: Gehört denn zu einer Stadt von der Grösse Schlierens (die immerhin den Slogan «wo Zürich Zukunft hat» auf dem offiziellen Papier trägt) nicht auch ein Kulturangebot mit einem Saal? Gibt es nicht Argumente und Möglichkeiten für eine erfreulichere Zukunft?

Mit den vorläufig letzten Etappen der wechselvollen Geschichte des Salmens und den verschiedenen Anläufen zur Wiederbelebung und den verpassten Chancen beschäftigen wir uns im dritten Teil. Affaire à suivre… 

Text: Philipp Meier, Fotos: Privatarchive Bruno Spoerri und Philipp Meier

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