Freitag, März 29, 2024
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«Uns gefällt es sehr gut hier»

Die Mousas sind Flüchtlinge. Seit März 2016 leben sie in Schlieren. Der «Schlieremer» war für ein Porträt zu Besuch bei der siebenköpfigen Familie.

 

Die Eingangstür zum kleinen Wohnhaus am Südrand Schlierens steht weit offen, als ich an diesem gewittrigen Abend ankomme. Drinnen ist der Lärm spielender Kinder zu hören. Ich klingle. Shaker Mousa, der Hausherr, empfängt mich und weist mir den Weg ins Wohnzimmer. Mousa ist barfuss, trägt ein T-Shirt und kurze Hosen. Im Wohnzimmer erwarten mich Zina, Mousas Frau, und Sohair Trüssel, eine freiwillige Mitarbeiterin der Asylorganisation Zürich (AOZ), die die Mousas im Alltag betreut und als Übersetzerin fungiert. Die beiden Frauen tragen Kopftücher. Das Wohnzimmer ist spärlich möbliert – drei kleine Sofas, ein Salontischchen und ein Fernseher sind die Hauptstücke.

 

Ich bin gekommen, um ein Porträt der Flüchtlingsfamilie zu machen. Besonders interessieren mich die beiden Söhne Ibrahim und Issa. Sie gehen hier zur Schule, verstehen und sprechen schon leidlich gut Schweizerdeutsch, spielen im STV Schlieren Faustball – eine sehr schweizerische Sportart – und gelten als Beispiele einer besonders geglückten Integration.

 

Flucht vor dem Krieg

Die Mousas kommen aus dem Irak. Geflüchtet sind sie, «weil dort Krieg herrscht», wie der elfjährige Issa wie aus der Pistole geschossen auf eine entsprechende Frage antwortet. Die Mousas wohnten in Mosul, der wichtigsten Stadt im Nordirak. Mosul war bis vor der kürzlich erfolgten Befreiung durch die irakische Armee und Verbündete eine Hochburg des radikalen Islamischen Staats (IS).

Verlassen haben die Mousas Mosul im September 2015. Zuerst ging der Vater, später folgte die Mutter mit den Kindern. In die Schweiz kamen sie via Altstätten im St.Galler Rheintal. Zuerst wurde die Familie in Volketswil platziert, dann – im März 2016 – in Schlieren. Hier gefällt es ihnen «sehr gut», wie der Vater sagt. So gut, dass sie für immer bleiben wollen. Das dürfen sie auch: ihr Asylgesuch ist angenommen worden.

 

Hierher gekommen ist die Familie, weil die Schweiz «ein sicheres und friedliebendes Land» ist, in dem man nicht um Hab, Gut und Leben fürchten muss. Trotzdem verfolgen die Familienmitglieder in Gedanken und Träumen noch heute Bilder von Gewalt, Tod und Zerstörung in ihrer ehemaligen Heimat.

 

Eine grosse Familie

Die Mousas sind ein grosse Familie. Fünf Kinder bevölkern das Haus. Neben Issa (11 Jahre alt) und Ibrahim (10) noch Saleh (7), Ahmed (3) und Jusuf (7 Monate). Issa geht in die 4. Klasse, Ibrahim in die 3. und Saleh in die 2. Ahmed besucht die Spielgruppe. Shaker Mussa (31) arbeitet als Automechaniker in einer Garage in Zürich-Seebach. Schon in Mosul übte er diesen Beruf aus. Arbeiten zu können, sei ihm wichtig gewesen, sagt er: «Ich wollte etwas Nützliches tun und nicht einfach zu Hause sitzen und Geld beziehen.» Zina Mousa (31) besorgt den Haushalt.

Die Integration in die schweizerische Gesellschaft ist nicht einfach. Shaker Mousa versteht dank seiner Arbeit etwas Deutsch, hat mit Reden aber noch Mühe. Seine Ehefrau versteht und redet kaum Deutsch, weil sie meistens zu Hause ist. Sie pflegt losen Kontakt zu den Nachbarn. Issa und Ibrahim, die beiden ältesten Söhne, sind dagegen schon ziemlich gut integriert. Sie gehen in die normale Schule, verstehen und sprechen Schweizerdeutsch und Deutsch, obwohl sie noch nicht lange in der Schweiz sind. In ihrer Freizeit spielen sie Faustball beim STV Schlieren. Ermuntert, dort mitzumachen, hat sie der Lehrer von Issa.

 

In der Schule gehe es gut, sagen die beiden Buben. Ihre Lieblingsfächer sind die gleichen: Deutsch, Englisch und Mathematik. Und natürlich Sport. Immer am Freitagabend gehen sie ins Faustballtraining. Sie machen bei den Kleinen, den Cats, mit. Regelmässig gibt es Spiele gegen andere Mannschaften. «Mal gewinnen wir, mal verlieren wir», sagt Issa stoisch. Stolz erwähnen die beiden Buben, dass Sie schon Medaillen gewonnen haben. Jetzt, da es Sommer und warm ist, gehen sie auch ins Schwimmbad – meistens ins Mösli, manchmal auch nach Urdorf. Ab und zu spielen sie auch Fangis mit Kindern aus dem Quartier.

 

Auf guten Eindruck bedacht

Zum Schluss meines Besuchs frage ich, ob ich von der Familie noch ein paar Bilder machen darf. Shaker Mousa sagt zu, besteht aber darauf, dass seine Ehefrau nicht fotografiert werden will. Wie schon während des ganzen Besuchs, will die Familie auch jetzt einen guten Eindruck machen. Zina Mousa weist die Buben deshalb an, für die Fotos schönere Kleider anzuziehen. Als das gemacht ist, posieren zuerst Shaker Mousa und die Kinderschar, dann die beiden Faustballjunioren Issa und Ibrahim zusammen und einzeln.

 

Dann verabschiede ich mich von der Familie und der Übersetzerin und bedanke mich für den freundlichen Empfang, die ausführlichen Auskünfte und das teeartige Süssgetränk, das mir offeriert wurde. Die Kinder geben mir artig die Hand. Shaker Mousa bedankt sich seinerseits für die Ehre, für ein Porträt im «Schlieremer» ausgewählt worden zu sein. Er begleitet mich unter die Haustür, die immer noch offen steht, und entlässt mich mit einem festen Händedruck in den abendlichen Regen. Das abwechslungsreiche Wetter in der Schweiz liebt die Familie übrigens. Hier ist es nicht nur warm und trocken. Mal regnet es auch, mal ist es kalt und schneit es sogar.

 

Text und Fotos: Martin Gollmer

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