Donnerstag, März 28, 2024
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Willkommen zu Hause: Das Lisebethli

 Am kommenden Schlierefäscht werden wir fröhlich Wiedersehen feiern mit einer alten Bekannten: dem liebevoll «Lisebethli» genannten Tram.

Vielleicht erinnern Sie sich: Wir haben vor vier Jahren, im «Schlieremer» 2/2015, über die wechselvolle Geschichte der Limmattal-Strassenbahn berichtet, welche von 1900 bis 1930 vom Letzigraben (damalige Stadtgrenze Zürichs) über Schlieren nach Dietikon fuhr, mit einer Zweiglinie über Unterengstringen nach Weiningen. Kurz erwähnt haben wir auch das abenteuerliche Überleben eines der damaligen Motorwagen.

Es grenzt an ein Wunder und ist vor allem dem Enthusiasmus der Leute vom Verein Tram-Museum Zürich zu verdanken, dass der Motorwagen Nr. 2, fast wie Dornröschen, aus einem langen Schlaf wachgeküsst wurde

Verschrottet – oder in die Verbannung ins Wallis

Als die StStZ (Städtische Strassenbahn Zürich) 1930 die LSB übernahm, wurde deren Wagenpark (10 Fahrzeuge) als Reserve für die Bedürfnisse anlässlich der kommenden Landesausstellung (Landi 1939) beiseite gestellt – und schliesslich nicht benötigt. Die Tramlinie nach Schlieren ihrerseits wurde bis 1956 von Zürcher Trams bedient, zunächst als Linie 20, später 2. Seit dann fährt der Trolleybus 31 ins Limmattal.

Nun ging es dem LSB Wagenpark an den Kragen. Acht der zwei-achsigen Fahrzeuge (auch Schüttelbecher genannt) wurden verschrottet. Eines, die Nummer 10, wurde in einen Dienstwagen (zum Schienenschweissen) umgewandelt. Der Motorwagen Nummer 2 war schon 1934 an die Martigny-Châtelard-Bahn (MC) im Wallis verkauft worden (heute TMR Transports de Martigny et Regions). Dort diente er noch lange Jahre als Dienstfahrzeug MC 81(Xe 2/2).

Das Automobil tritt seinen Siegeszug an

In den 50er- und 60er-Jahren schien das Totenglöcklein für die Trams zu läuten – freie Fahrt für das Auto war die Losung. In Luzern beispielsweise wurde das Tram 1959 eingestellt; der Stadtrat befand, das die Haltestellen dem motorisierten Verkehr Platz wegnehmen. In Lausanne verschwand es 1964, Genf baute sein grosses Netz bis 1969 auf eine einzige Linie zurück – um es später

wieder auszubauen. St. Moritz stellte seine Linie 1932 ein, St. Gallen 1957. Auch in Zürich war angedacht, das ganze Schienennetz zu entfernen, allerdings ohne dass die Pläne verwirklicht wurden.

Die Limmattal-Strassenbahn kann im Tram-Museum betrachtet werden.

Das Bewusstsein für Industriekultur wächst: Der Verein Tram-Museum Zürich

Doch es gibt ja immer auch eine Gegenbewegung; Das Bewusstsein für die Vorteile des schienengebundenen Verkehrs wuchs. Zürich ist zu Recht stolz auf seine blau-weissen Trams und liebt sie. Die Bähnler sprechen von Elefanten, Geissbock, Laubfrosch, Kurbeli und Pedalern. Eine Zahl begeisterter Trämler hatte schon früh den historischen Wert der ausrangierten Fahrzeuge erkannt. Aber es fehlten die Strukturen zum Erhalt dieses Kulturgutes und auch die Finanzen. Anfänglich waren die VBZ auch nicht sonderlich interessiert an diesem Industrie-Erbe. So gründeten 1967 ein paar Liebhaber des Züri-Trams mit viel Herzblut den Verein Tram-Museum Zürich, welcher heute in der Remise Burgwies sein Museum betreibt. Er unterhält, restauriert und betreibt die alten Fahrzeuge (heute sind es deren 15) und verfügt über eine umfangreiche Dokumentation.

Das erste Fahrzeug, welches – wie alle anderen – in Fronarbeit wieder zum Leben erweckt wurde, war eines der Forchbahn mit Jahrgang 1897. Nach dessen Fertigstellung 1977 ging der Verantwortliche für diese Restauration, Jakob Schneider, den Spuren der Limmattal-Strassenbahn (LSB) nach. Es hatte ja, wie oben erwähnt, die Absicht bestanden, aus dem von den VBZ als Schweisswagen benützten Wagen Nr. 10 ein Museumstram im ursprünglichen LSB-Kleid zu rekonstruieren. Doch das erwies sich als schwierig: Die Innenausrüstung fehlte; niemand wusste, wie der Originalzustand gewesen war. Nicht einmal der genaue Farbton der Lackierung war bekannt.

Abenteuerliche Heimkehr und Rettung

Da erinnerte man sich: Bei der Martigny-Châtelard-Bahn (MC) stand ja noch der LSB-Wagen Nr. 2, der 1934 verkauft worden war. Er diente immer noch für Schülertransporte – und der hatte noch die originale Inneneinrichtung! Also nahm man Verhandlungen auf: Am 1. Mai 1974 reiste eine VBZ-Delegation nach Martigny. Es kam zu einem Tauschgeschäft: Die MC erhielt zwei ausrangierte Zürcher «Schnellläufer-Trams» – und am 25. September 1974 traf das alte Lisebethli, standesgemäss per Bahn, wieder in seiner Zürcher Heimat ein.

Doch die Sache verzögerte sich. Die Prioritäten der VBZ (ohne deren Unterstützung ein solches Projekt nicht zu bewältigen wäre) hatten sich geändert, man hatte andere Sorgen. Zudem stellte sich heraus, dass der mehrfach erwähnte VBZ-Dienstwagen in weit schlechterem Zustand war als seine Walliser Kollegin. So wurden die alten Fahrzeuge von Depot zu Depot weitergeschubst: Von der Kalkbreite ins Seefeld, dann in die Wartau und nach Höngg. Schneiders Projektschätzung belief sich auf über 200’000 Franken. Das teilrestaurierte Lisebethli ging auf Betteltour und wurde u.a. 1991 im Hauptbahnhof ausgestellt.

Ein Zeitzeuge erhält ein neues Leben und kehrt zurück

Endlich wurde die Finanzierung sichergestellt mit einem Beitrag aus dem Lotteriefonds und vielen Spenden. Der Technische Leiter, Jakob Schneider, entschied nun, den von MC zurückgeholten Wagen Nr. 2 zu restaurieren. Ein erster Erfolg: Zusammen mit Malermeister Fritz Lebert (1935–2016, aus einer alten Schlieremer Familie), fand er unter dem Deckanstrich der MC-Bahn noch die Originalfarbe des Lisebethli – ein mattleuchtendes Gelb. 1994 wurde die Restauration im Depot Hard (Escher-Wyss-Platz) in Angriff genommen und 2001 vollendet.
Schneider und sein Team leisteten etwa 14’000 Fron-Arbeitsstunden. Der Wagen wurde komplett auseinandergenommen. Statt des Holz-Untergestells wurde über dem Fahrwerk ein Metallgestell konstruiert. Der Wagenkasten selbst aber war und blieb eine reine Holzkonstruktion, praktisch ohne Verschraubung und Verleimung. Wegen des damals wirklich schlechten Gleis-Unterbaus mussten die Fahrzeuge «elastisch» sein, ein steifer Wagenkasten hätte Schaden genommen. Diese Bauweise wurde übernommen und soweit möglich die alten Teile (Fenster, Türen, Teile der Innenverkleidung, die Längsbänke, die Motoren der MFO, die Achsen und die «Lyra»-Stromabnehmer) behalten. Die morschen Holzteile wurden durch eine nahe Schreinerei nach Mass ersetzt, die Werkstatt Holz (eine Abteilung der Stadt Zürich) erledigte die Feinarbeiten.
Als Beispiel für das Bestreben nach originalgetreuer Restauration hier die Dachkonstruktion. Die besteht nicht – wie man vermuten könnte – aus Blech. Wie seinerzeit im Original wurde über die Holzlattung eine Abdeckung aus imprägniertem Stoff gespannt und in einem langwierigen Verfahren mit Kitt und Leinöl behandelt – zum Ausgleich von Hitze und Kälte. Die rostigen Bleche allerdings wurden durch Aluminiumteile ersetzt. Die Bemalung erfolgte von Hand – wie das vor 100 Jahren eben üblich war.
2001 erfolgte die Abnahme durch die VBZ: Elektrische Prüfung, Bremsproben (Hand- und elektrische Bremse). Schliesslich gab das BAV (Bundesamt für Verkehr) das Fahrzeug 2001 frei.

Zurück nach 120 Jahren!

1899 wurde das Lisebethli in der eben neu gegründeten «Wagen- und Waggonsfabrik Geissberger» in Schlieren gebaut, und jetzt kommt es zurück – gerade rechtzeitig zum Schlierefäscht. Willkommen am 30. August 2019!

 

Text: Philipp Meier, Foto: ZVG

 

 

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