Seit dem Jahr 2012 befindet sich im Zentrum für Kardiovaskuläre Genetik und Gendiagnostik auch das Genetikzentrum der Stiftung für seltene Krankheiten. Ein junges, hoch engagiertes Team hat sich hier auf die Fahne geschrieben, Menschen zu helfen, die in der gängigen medizinischen Diagnostik und damit mit ihrem Leiden oft isoliert und allein dastehen.
Begonnen hat alles 1999 im Kinderspital Zürich, wo seltene Krankheiten die Ärzte herausforderten. Von 2003–2011 dann wurde die Forschung am Institut für medizinische Genetik bzw. Molekulargenetik der Universität Zürich weitergeführt. Seit 2012 wird an der Wagistrasse in Schlieren nun am Genetikzentrum unter der Trägerschaft der Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten geforscht, diagnostiziert und gelehrt. Ein Hauptzweck der Stiftung ist die Erforschung von genetisch bedingten Aortakrankheiten und deren klinischen Konsequenzen. Oft sind es jedoch verzweifelte Eltern oder erwachsene Betroffene, die sich im Zentrum melden.
Es gibt etwa 5000 verschiedene seltene Krankheiten. Von einer einzelnen sind weltweit stets nur wenige betroffen. Zählt man jedoch alle Betroffenen einer seltenen Krankheit zusammen, so leiden allein in der Schweiz 500’000 Personen an einer solchen, wobei 80 % dieser Krankheiten genetisch bedingt sind. Das Zentrum in Schlieren kann pro Jahr zwischen 150 und 200 Fälle aufnehmen. Drei von vier Betroffenen sind Kinder, da viele das Erwachsenenalter oft nicht erreichen. Noch beträgt die durchschnittliche Diagnosensuche etwa sieben Jahre.
Die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen
Die DNA jedes Menschen ist einzigartig. Von den in ihr enthaltenen etwa drei Milliarden Nukleotidbasen sind schätzungsweise drei Millionen, die sich von Mensch zu Mensch unterscheiden und ihn einmalig machen. Man spricht dabei vom genetischen Fingerabdruck. Um eine genetische Krankheit zu verstehen, stelle man sich diese Nukleotidbasen am besten als Buchstaben vor. Ein einziger Tippfehler kann zu gravierenden Veränderungen führen. Aber wie diesen Tippfehler finden? Von den etwa 25’000 Genen sind inzwischen schätzungsweise die Hälfte bekannt. Bei seltenen Krankheiten beginnt hier die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: Wo ist möglicherweise ein Gendefekt, der einen Betroffenen krank, ja sogar schwer behindert machen kann?
Nun geht es um eine Datenanalyse. Diverse Programme und Algorithmen erlauben es, Harmloses auszufiltern und das Übrige genauer zu untersuchen. Immer spielt dabei auch die Frage eine Rolle: Gibt es familiär weitere Betroffene?
Zum Beispiel Iolani
Oft ist die Stiftung die letzte Anlaufstelle für Betroffene. So auch für Iolani. Ihr Start ins Leben war schwierig. Das 2004 geborene Mädchen musste wegen kardiologischen Problemen bereits wenige Wochen nach der Geburt am offenen Herzen operiert werden. Damit war das Problem aber nicht gelöst. Gastroenterologische Probleme kamen dazu. Eine Verengung der Speiseröhre verhinderte, dass das einjährige Kind essen konnte. Aber weshalb? Die Eltern waren ratlos, suchten Spezialisten auf, aber niemand wusste weiter. Iolani konnte auch nicht kriechen, und als sie laufen lernte, musste eine Versteifung der Gelenke festgestellt werden. Aber warum? Eine Odyssee durch Kliniken und Arztpraxen begann.
Genetische Untersuchungen in Strassburg und Basel blieben ohne Befund. Die Diagnosesuche des schwer behinderten Mädchens nahm seinen Lauf. Als im Januar 2018 auch vom genetischen Institut Basel her als Ergebnis nichts als Ratlosigkeit kam, wandte sich die Mutter ans Genetikzentrum der Stiftung für seltene Krankheiten. Blutproben von Eltern und Kind wurden im hochmodernen Labor untersucht. Während zwei Wochen widmete sich der Stiftungsleiter PD Dr. Gabor Matyas einzig der Suche. Und wurde fündig. Eine Mutation auf dem SMAD4-Gen bewirkte beim Kind, dass ständig und im ganzen Körper überschüssiges Bindegewebe produziert wird. Iolani ist weltweit eine von fünfzig Betroffenen. Jetzt endlich konnte die inzwischen 15-Jährige behandelt werden.
Eine fast unscheinbarer Ort, wo Grossartiges geleistet wird
Die Stiftung existiert dank Spendern und Gönnern. Nicht nur die Gendiagnostik allein ist wichtig. Auch Forschung und Lehre sind ein Stiftungszweck. Hand in Hand sollen sich Forschung, Diagnostik und Beratung gegenseitig vorwärts bringen. Inzwischen beruhen die Kompetenzen der Mitarbeitenden auf langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Molekulardiagnostik. Praktikanten, Masterstudenten und Doktoranden werden aus- und weitergebildet. Spezialisierte Technologien in einem beachtlichen Labor bieten eine Diagnostik auf höchstem Niveau an.
Die Devise des Teams
Das richtige Medikament dem richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Dosierung, dies gilt sowohl für die Behandlung der Aortakrankheiten als auch für jede noch so seltene Krankheit. Bereits sind viele Medikamente verfügbar. «Jetzt müssen unbedingt alle Ärzte darüber informiert werden, dass bei manchem dieser Leiden ein Medikament helfen kann», so Matyas, «das ist uns ein grosses Anliegen. Sie müssen erfahren, dass ein bestimmtes Breitspektrum-Antibiotika sowie ein Blutdruck senkendes Mittel die Aortawand stärken können.»
Gut, dass es diese besondere Stiftung gibt. Gut für Iolani und viele andere Betroffene.
Iolani – eines von weltweit 50 betroffenen Kindern.
Text und Foto: Erica Brühlmann-Jecklin