Freitag, April 26, 2024
Shopping Schlieren Werbung

Neuste Beiträge

Verwandte Beiträge

Auch Schlieren hat seine Bergbauern

Der Schlieremer Berg ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Bewohner Schlierens und der Stadt Zürich. Er ist aber auch Standort von drei Bauernhöfen. Alle haben ihre Eigenheiten, wie die folgenden Porträts zeigen.

Dass am Pestalozziweg auf dem hinteren Schlieremer Berg noch ein Bauernhof existiert, ist nicht selbstverständlich. Zweimal nämlich stand er vor dem Aus. Das erste Mal Ende der 1970er-Jahre, als die Stadt Zürich, die im dortigen Gebiet Land besass, einen grossen Erholungs- und Freizeitpark plante. Doch die Pläne wurden dann angesichts der in der Bevölkerung aufkommenden Wachstumskritik nicht realisiert.

Das zweite Mal Anfang der 1990er-Jahre, als der Kanton, dem der Bauernhof gehörte, Pächter Werner Meyer senior kündigte. Der Betrieb, auf dem Meyer seit dem Wegzug des Pestalozziheims für schwererziehbare Knaben ins Knonaueramt im Jahr 1968 bauerte, sei nicht lebensfähig, lautete die Begründung. Er sei zu klein und zu nahe an der Stadt gelegen. Doch Meyer wehrte sich – auch mit der Hilfe von Politikern – energisch und konnte den Hof schliesslich dem Kanton abkaufen. Heute führt der 57-jährige Werner Meyer junior den Betrieb erfolgreich in 2. Generation zusammen mit seiner Frau Margrit und einem Angestellten. Meyer ist eidgenössisch diplomierter Meisterlandwirt, seine Frau gelernte Bäuerin. Die Meyers haben zwei Kinder.

Meyers Hof ist vielseitig
Meyers Betrieb ist «vielseitig», wie er bei einem Besuch sagt. Er «ruht auf vier Standbeinen»: Milchwirtschaft, Ackerbau, Obstbau und Direktverkauf. Zum Hof gehören 27 Hektaren Acker- und Wiesland sowie 0,7 Hektaren Obstbaukulturen. Dazu kommen 220 Hochstamm-Obstbäume. Das Land gehört zu einem Viertel Meyer, der Rest ist gepachtet. Zwei Drittel des Landes befindet sich um den Hof herum, der Rest weiter weg. Meyer bewirtschaftet das Land mit drei Traktoren; zudem stehen ihm noch mehrere, vor allem kleinere Maschinen zur Verfügung.

26 Kühe, die in einem Laufstall mit Melkstand gehalten werden, liefern 200’000 Liter Milch pro Jahr. Im Stall stehen zudem zehn Kälber. Platz ist auch noch für zwei Pensionspferde. Weiter gibt es 130 Hühner auf dem Hof, die für Eier besorgt sind. Der Betrieb ist auch Heimat von Bienenvölkern, von denen Honig stammt. Meyer imkert aber nicht selber, das macht ein Bekannter von ihm.

Auf den Äckern wird Mais, Gerste, Raps und Weizen angebaut. Vom Wiesland stammt das Futter für die Tiere. In den Obstbaukulturen und auf den Hochstamm-Obstbäumen wachsen Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Quitten und Nuss. Sämtliches Obst wird im Hofladen mit dem Namen Meyers Obstgarten direkt an Konsumenten verkauft. Diese stammen zu rund 70 Prozent aus der Stadt Zürich, vor allem aus dem nahegelegenen Quartier Altstetten.

Meyer führt einen IP-Betrieb. IP steht für Integrierte Produktion. Das heisst, er muss so viel wie möglich mit Nützlingen zusammenarbeiten, Hilfsmittel dürfen nur eingesetzt werden, wenn es absolut notwendig ist. Dadurch soll eine nachhaltige Produktion entstehen. «Das ist eine gewaltige Herausforderung», sagt Meyer. Denn die Stadtnähe bewirke, dass er es oft mit zugewanderten Schädlingen zu tun habe, die in Wohnquartieren überwintern und nur schwer zu bekämpfen seien. Und auch das vermehrte Auftreten von Neophyten bedeute mehr Arbeitsaufwand.

Rütschis Betrieb ist gross
Am Alten Zürichweg liegt der Hof von Heinz Rütschi. Er bewirtschaftet 45 Hektaren Acker- und Wiesland, das teils auf dem Schlieremer Berg liegt, teils in Urdorf und teils auf Stadtzürcher Gebiet. Dazu kommen noch 3,3 Hektaren Wald auf dem Schlieremer Berg. Auf den Äckern werden Gerste, Mais, Raps, Weizen und Zuckerrüben angebaut. Diese Produkte werden zum Teil dem Vieh verfüttert oder gehen in den Nahrungsmittelkanal. Das Wiesland liefert Gras und Heu für die Tiere.

Von diesen gibt es viele auf Rütschis Hof: 84 Kühe liefern 800’000 Liter Milch pro Jahr. Die Kühe stehen in einem grossen Laufstall mit Melkstand. Dazu kommt eine Rinder- und Kalberaufzucht mit fünfzig Tieren. Sie dienen der Remontierung der Milchkühe; aus den männlichen Kälbern wird zum Teil Kalbfleisch produziert. Im Stall hat es zudem Platz für zwei Pferde und ein Pony – Rütschis Vater bietet Kutschenfahrten an. Weiter vorhanden sind auf dem Betrieb 25 Hühner und drei Geissen. Milch ist das einzige Produkt, das Rütschi ab Hof verkauft.

Der Hof von Heinz Rütschi.

Rütschi ist eidgenössisch diplomierter Meisterlandwirt, 48 Jahre alt und in 5. Generation auf dem Hof. Diesen bewirtschaftet er zusammen mit einem Bruder und seinem Vater. In Spitzenzeiten helfen zwischendurch Rütschis vier Töchter aus. Erntearbeiten werden grösstenteils durch Lohnunternehmer ausgeführt. Rütschi hat vier Traktoren zur Verfügung. Grössere Maschinen besitzt er nicht selber; er mietet sie bei Bedarf zu.

Rütschis Philosophie ist, auf dem Betrieb einen möglichst geschlossenen Kreislauf aufrechtzuerhalten: Auf den Äckern und auf dem Wiesland wird das Futter produziert, das den Tieren als Nahrung dient. Der Hofdünger landet dann grösstenteils wieder auf den bewirtschafteten Feldern. Zudem bauert Rütschi nach den Richtlinien des ökologischen Leistungsausweises. Welche und wie viel Futtermittel, Dünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, muss dabei genau festgehalten werden und wird durch eine Kontrollstelle überprüft. «Ziel ist es, unter Einsatz von möglichst wenig Hilfsmitteln mit gesunden Tieren gesunde Lebensmittel zu produzieren, die der Konsument letztendlich auch kauft», erklärt Rütschi.

Denn die Konsumenten wollten gesunde Lebensmittel, die auch optisch gut aussehen, die möglichst unbehandelt seien, antibiotikafrei und pflanzenschutzmittelfrei. Solche Lebensmittel anbieten zu können, welche die Wünsche von jedem einzelnen Konsumenten erfüllen, sei aber schwierig, sagt Rütschi. Auch Tiere könnten nämlich krank oder verletzt sein. Dann bräuchten sie eine Behandlung, wenn sie gesund werden und auch in Zukunft Nutzen erbringen sollen. Die Landwirte arbeiteten in und mit der Natur und seien sehr wetterabhängig.

Seilers betreiben eine Ranch
Zwischen Rütschis und Meyers Hof gelegen ist die Berghofranch der Familie Seiler. Andreas Seiler wollte den «Schlieremer» im Vorfeld der Abstimmungen vom 13. Juni nicht empfangen und seinen Betrieb vorstellen. Immerhin finden sich im Internet einige Informationen. Danach haben der 46-jährige Seiler (eidgenössisch diplomierter Meisterlandwirt) und seine Frau Fleur (eidgenössisch diplomierte Landwirtin mit abgeschlossener Bäuerinnenfachschule) den Hof 2009 von Andreas’ Eltern übernommen. Die Seilers haben zwei Kinder.

Betriebszweige der Berghofranch sind Islandpferde in Offenstallhaltung, Mutterkuhhaltung, Ackerbau, Futterbau und Schnittblumen. In einem Verkaufshäuschen am Alten Zürichweg führen die Seilers in Selbstbedienung aktuelle und saisonale Angebote wie Rhabarber, Beeren, Früchte Zucchetti, Kürbisse, Kartoffeln, Baumnüsse, geräuchertes Dexterrindfleisch und pasteurisierten Apfelsaft. Fleischspezialitäten vom Dexterrind sind frisch oder tiefgekühlt ab Hof erhältlich.

Die drei Bauernbetriebe auf dem Schlieremer Berg erfreuen sich bei den Spaziergängern grosser Beliebtheit. Eltern mit ihren Kindern kommen vorbei und sehen sich Höfe und Tiere an. Vor Corona haben Meyer und Rütschi auch Schulklassen, Kindergärten und Spielgruppen empfangen, die Landwirtschaft einmal aus der Nähe sehen und sich erklären lassen wollten. Das Einvernehmen der Bauern mit den Spaziergängern, die besonders an schönen Wochenenden zuhauf auf den Schlieremer Berg kommen, ist aber nicht nur gut. Manche Leute hinterliessen Abfall oder beträten Wiesen und Äcker und liessen dort ihre Hunde ihr Geschäft verrichten, heisst es bei den Landwirten übereinstimmend. Das zeuge von wenig Respekt vor der Natur und der Landwirtschaft. 

Die Berghofranch der Familie Seiler.

Text und Fotos: Martin Gollmer

Neuste Beiträge